INTERNATIONALE ROSENZWEIG - GESELLSCHAFT (IRG) |
FRANZ-ROSENZWEIG-GASTPROFESSUR |
(siehe auch: Wikipedia-Eintrag)
Dies
alles schwingt in dem Namen mit, an den die
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
erinnert. Die Idee zur Einrichtung dieser Gastprofessur erwuchs aus
Anregungen,
die während einer Podiumsdiskussion auf dem
anläßlich
des
100. Geburtstags von Franz Rosenzweig 1986 an der Universität
Kassel
durchgeführten Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß
vorgetragen wurden.[5]
Mit Recht wurde
bei dieser
Podiumsdiskussion bedauernd darauf hingewiesen,
daß bisher keine Regierung der Bundesrepublik Deutschland die
durch
den Nationalsozialismus verfolgten und ins Exil getriebenen
jüdischen
Mitbürger offiziell zur Rückkehr in ihr Geburts- und
Heimatland
eingeladen und kaum eine deutsche Universität in Verbindung
mit
der
hierfür zuständigen Landesregierung ihre seit 1933
zwangsentlassenen
und ausgebürgerten jüdischen Professoren und
Mitarbeiter die
Wiedereinsetzung in ihre ehemaligen oder entsprechende Stellen
angeboten
hat. Weiterhin wurde festgestellt, daß es -
abgesehen von den in einigen Theologischen Fakultäten
integrierten
Instituten für Judaistik -
noch an keiner deutschen Universität eine Professur
für
Jüdische
Studien gebe, durch die den Studenten der Philosophie, Geschichts-,
Literatur-
und Religionswissenschaft etwas von dem durch den Nationalsozialismus
zerstörten
Erbe des europäischen Judentums vermittelt werden
könne.
Die
1971 gegründete Gesamthochschule Kassel war 1986 eine erst
fünfzehn
Jahre junge, noch im Aufbau befindliche Universität. Weder
hatten
wir die Mittel und das hierfür erforderliche
disziplinäre
Umfeld,
eine eigene Professur für Jüdische Studien aufbauen
zu
können,
noch wollten wir uns anmaßen, stellvertretend für
andere
deutsche
Universitäten das von ihnen Versäumte wettzumachen.
Und doch
wollten wir im Andenken an Franz Rosenzweig und aus der Verpflichtung
seinem
Denken gegenüber ein Zeichen setzen, das den oben genannten
Anregungen
entsprechen sollte. So wurde die Idee einer von der
Universität
Kassel
gestifteten Franz-Rosenzweig-Gastprofessur geboren -
zunächst bis 1995 befristet, dann bis zum Jahr 2005
verlängert -,
die jährlich jeweils in einem Sommersemester an Philosophen,
Geschichts-,
Literatur- oder Religionswissenschaftler vergeben wird, die aus
antisemitischen
Gründen durch den Nationalsozialismus verfolgt und aus ihrer
Heimat
vertrieben worden sind und daher ihre wissenschaftliche Laufbahn im
nicht-deutschsprachigen
Ausland fortsetzten bzw. beginnen mußten, sich jedoch in
ihren
Forschungen
speziell auch mit Fragen der europäisch-jüdischen
Geschichte,
Kultur und Bildung auseinandergesetzt haben und deshalb in ihren
Lehrveranstaltungen
an der Kasseler Universität etwas von dem durch den
Nationalsozialismus
zerstörten jüdischen Erbe wieder bewußt zu
machen
vermögen.[6]
Die
zwanzig Franz-Rosenzweig-Gastprofessoren werden in den beiden
Bänden
Vergegenwärtigungen des zerstörten
jüdischen Erbes und
Auseinandersetzungen mit dem zerstörten
jüdischen Erbe
jeweils mit einem thematischen Beitrag, einer autobiographischen Skizze
sowie dem Verzeichnis ihrer wichtigsten Veröffentlichungen
vorgestellt.[7]
Von den
ursprünglich vorgetragenen Franz-Rosenzweig-Gastvorlesungen
aus den ersten Jahren liegen inzwischen einige in
überarbeiteter
Form
als eigenständige Publikationen vor.[8]
Wir
beklagen den Tod von vier der Franz-Rosenzweig-Gastprofessoren
–
Joachim
Israel, Rafael Rosenzweig, Emil Fackenheim und Albert
Friedlander –
und gedenken ihrer in Dankbarkeit und Freundschaft. Mit Dankbarkeit
möchte
ich an dieser Stelle auch an meinen langjährigen, inzwischen
verstorbenen
Kollegen Prof. Dr. Ulrich
Sonnemann (1912-1993) erinnern. Achtzehn Jahre, von
1974 bis
1992,
haben wir zusammen die Philosophie an der Universität
Gesamthochschule
Kassel aufgebaut und uns gegenseitig in all unseren Initiativen
unterstützt.
Bereits 1979 führten wir zusammen mit einigen weiteren
Kollegen
ein
erstes Gedenkseminar zum 50. Todestag Franz Rosenzweigs durch. Auch bei
der Vorbereitung des Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongresses
1986 stand mir Ulrich Sonnemann beratend und unterstützend zur
Seite.
So war es ganz selbstverständlich, daß er auch
unsere
Initiative
zur Einrichtung der Franz-Rosenzweig-Gastprofessur mittrug und
förderte.
War er doch selbst seit 1933 vor den Nazis quer durch Europa auf der
Flucht,
bis es ihm 1941 gerade noch gelang, von Südfrankreich aus in
die
Vereinigten
Staaten zu emigrieren. 1955 kehrte er nach Deutschland zurück
und
wurde einer der entschiedensten Kritiker des Verdrängens und
Vergessens,
das sich im Nachkriegsdeutschland breit machte. Von 1974 bis 1992 war
Ulrich
Sonnemann Professor für Sozialphilosophie an der
Universität
Gesamthochschule Kassel.[9]
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik
Franz Rosenzweig Gastprofessoren (1987-2008) [*]
Prof.
Peter Fuss, PhD (St. Lois, Missouri)
|
||
Prof.
Leonard Ehrlich, PhD (Amherst, Massachusetts)
|
||
Prof.
Dr. Joachim Israel (Lund)
|
||
Prof.
Dr. Eveline Goodman-Thau (Jerusalem)
|
||
Prof.
William Hallo, PhD (New Haven, Conneticut)
|
||
Prof.
Dr. Zvi H. Rosen (Tel Aviv)
|
||
Prof.
Dr. Jacob Goldberg (Jerusalem)
|
||
Prof.
Dr. Dr. Benyamin Maoz (Beer Sheva)
|
||
Prof.
Rivka Horwitz, PhD (Beer Sheva)
|
||
Prof.
Dr. Dr. Hans Keilson (Bussum)
|
||
Prof.
Emil Fackenheim, PhD (Jerusalem)
|
||
Prof.
Rafael Rosenzweig (Tel Aviv)
|
||
Prof.
Albert Friedlander, PhD (London).
|
||
Prof.
Kurt Rudolf Fischer, PhD (Wien)
|
||
Prof.
Gerda Elata-Alster, PhD (Beer Sheva)
|
||
2002
(1)
|
Prof. Dr.
Feliks Tych
|
|
2002 (2) |
Prof. Ze´ev
|
|
Prof.
Chaim
Schatzker PhD
|
||
Prof. Dr.
Mihály Vajda
|
||
Prof. Dr. Michael
Löwy
|
||
Prof. Carl S.
Ehrlich
|
||
Prof. Moshe I.
Zimmermann PhD (Jerusalem)
|
||
2008 |
Prof. Dr. Karol Sauerland (Thorn) |
|
2009 |
Prof. Dr. Harry Redner (Melbourne) |
|
2010 |
Prof. Dr. Jakob Hessing (Jerusalem) |
|
2012 | Prof. Liliane Weissberg, PhD (Philadelphia) |
Textbeiträge und autobiographische Skizzen der einzelnen Gastprofessorinnen und -professoren sind abgedruckt in:
Wolfdietrich
Schmied-Kowarzik (Hrsg.)
Vergegenwärtigung
des zerstörten jüdischen Erbes
Franz-Rosenzweig-Gastvorlesungen
Kassel 1987-1998
kassel university press 1997, ISBN 3-7281-2518-0
http://www.upress.uni-kassel.de/abstracts_fr/3-7281-2518-0.html
Wolfdietrich
Schmied-Kowarzik (Hrsg.)
Auseinandersetzungen
mit dem zerstörten jüdischen Erbe
Franz-Rosenzweig-Gastvorlesungen
(1999-2005)
kassel university press 2004, ISBN 3-89958-044-3
http://www.upress.uni-kassel.de/abstracts_fr/3-89958-044-3.html
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1987
Peter
Fuss PhD
Professor für Philosophie
University of Missouri – St. Louis
Peter
Fuss wurde 1932 in Berlin geboren; gerade noch rechtzeitig konnten
seine
Eltern mit ihm 1939 in die USA emigrieren. Er wuchs zunächst
in
New
York auf, schloß die Harvard University mit dem PhD ab,
lehrte
als
Lecturer für Philosophie von 1961 bis 1969 an der University
of
California
in Riverside und ist seit 1969 Professor für Philosophie an
der
University
of Missouri in St. Louis.
Mit
seinem philosophischen Leitproblem, Totalität anders als durch
Totalitätstheorien
zu denken, knüpft Peter Fuss an die Traditionen der
klassischen
deutschen
Philosophie und der kritischen Theorie an, verbindet diese aber mit
amerikanischen
Traditionen politischen und spekulativen Denkens. In einem
längerfristig
angelegten Forschungsprojekt bereitet Peter Fuss eine erneute,
philosophisch
fundierte Übersetzung von G. W. F. Hegels
Phänomenologie des Geistes ins
Englische vor.
Die
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur war 1987 noch ganz und gar Experiment
und
Vorlauf. Da die Beschlüsse der zentralen Gremien der
Universität
noch ausstanden, stellte der Fachbereich
Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften zur
ersten Realisierung der Idee rasch entschlossen eine gerade vakante
Professur
zur Verfügung, und ebenso spontan willigte Prof. Peter Fuss
ein,
direkt
nach seinem Frühjahrs-Semester in St. Louis noch zu einem
zweimonatigen
kompakten Gastsemester nach Kassel zu kommen. Zu Peter Fuss, dem Neffen
des an unserer Universität lehrenden Sozialphilosophen Ulrich
Sonnemann,
bestanden bereits enge Kontakte; kurz vorher war PD Dr. Gottfried
Heinemann
zu einem Gastsemester in St. Louis gewesen.
Auch
für Peter Fuss war das Gastsemester in Kassel ein Experiment.
Erhoffte
er sich doch, Probleme der Interpretation von Hegels
Phänomenologie des Geistes,
die er mit einer Arbeitsgruppe ins Englische übersetzte, in
einem
Seminar mit deutschen Studenten klären zu können. Mit
Erstaunen
stellte er fest, daß auch die deutschen
Studienanfänger die
Texte nicht besser verstanden als ihre Kommilitonen in den Vereinigten
Staaten.
Doch
die für ihn überraschendste Erfahrung war,
daß zu dem
von
ihm angebotenen Seminar „Zur politischen Philosophie Hannah
Arendts“
nur
drei Hörer erschienen, zwei Hochschullehrer und ein Student.
Dies
lag natürlich vor allem daran, daß nur wenige
Studenten
mitten
im Sommersemester noch ein zusätzliches Lehrangebot
wahrnehmen.
Aber
es offenbart auch etwas von dem Ausmaß der
Zerstörung des
jüdischen
Erbes in Schulen und Hochschulen, denn Hannah Arendt war für
viele
der damaligen Studierenden noch ein unbekannter Name. Erst ein bis zwei
Jahre später kam über die feministische Philosophie
und dann
nach dem Umbruch der politischen Verhältnisse in Mitteleuropa
das
Interesse an der Philosophin und politischen Denkerin Hannah Arendt auf
und durchlief wie eine Modewelle die deutschen Universitäten.
Das
dritte Seminar, das sich mit „Philosophischen Implikationen
in H.
Melvilles
Moby Dick“ befaßte, stieß bei den
Studenten dagegen auf die
größte Resonanz.
Trotz
dieser Anfangsschwierigkeiten, Studenten für die
zusätzlichen
Gastveranstaltungen zu gewinnen, war alles in allem dieser Vorlauf
erfolgreich
und für uns sehr ermutigend, denn mit Vorträgen und
Diskussionsbeiträgen
hatte sich Peter Fuss produktiv und engagiert in das gemeinsame
Forschungsprojekt
des Fachbereichs „Bildung und Zukunft“ eingebracht
sowie im
Philosophischen
Forum über „Die Aporie von Platons
Staat“ vorgetragen, so daß
durch diese aktive Präsenz von Prof. Peter Fuss die
Beantragung
der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur als einer kontinuierlichen Einrichtung
eine
breite Zustimmung und Unterstützung durch die Hochschulgremien
fand.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1988
Leonard
H. Ehrlich PhD
em.
Professor für Philosophie und Judaic Studies
University of Massachusetts at Amherst
Leonard
H. Ehrlich wurde 1924 in Wien geboren, nach dem Anschluß
Österreichs
emigrierte er 1939 in die Vereinigten Staaten. Im Dienste der US-Army
betrat
er gegen Kriegsende wieder deutschen und österreichischen
Boden.
Nach
dem Krieg studierte er zunächst in den USA Psychologie,
wechselte
dann zur Philosophie, hörte von 1948 bis 1951 bei Karl Jaspers
in
Basel und schloß schließlich 1956 sein Studium mit
dem PhD
an der Yale University ab. Seit 1956 lehrt Leonard H. Ehrlich als
Professor
für Philosophie und Judaic Studies an der University of
Massachusetts
at Amherst.
Prof.
Leonard H. Ehrlich gehört zu den bedeutendsten Vertretern der
Existenzphilosophie
im anglo-amerikanischen Sprachraum. Er war Mitbegründer und
langjähriger
Vorsitzender der Internationalen Karl-Jaspers-Gesellschaft. Zusammen
mit
seiner ebenfalls aus Wien stammenden Frau Dr. Edith Ehrlich hat er
mehrere
Werke von Jaspers ins Englische übersetzt. Mit seinen
philosophischen
Arbeiten zu Karl Jaspers, Martin Heidegger und Franz Rosenzweig hat er
sich einen international angesehenen Namen gemacht. Ein weiterer
Schwerpunkt
seines Forschens sind die Judaic Studies, in deren Rahmen es ihm
besonders
um eine kulturgeschichtliche Erforschung des europäischen
Judentums
sowie um eine Sichtbarmachung der Folgen seiner Zerstörung
geht.
Mit
der Berufung von Leonard H. Ehrlich wurde die Einrichtung der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
offiziell eröffnet. Zu seiner Begrüßung und
Antrittsvorlesung
waren nicht nur der Präsident der Universität,
sondern auch
viele
Kollegen und Studenten aller Fachbereiche erschienen. Leonard H.
Ehrlich
war in Kassel kein Unbekannter, hatte er doch anderthalb Jahre vorher
mit
seinem Vortrag „Rosenzweigs Begriff der Zeitigung aus den
Quellen des
Judentums“
den Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß mit
eröffnet.
Mit
seiner dreistündigen Hauptvorlesung „Problematik der
jüdischen
Existenz angesichts der Moderne und die Zerstörung des
europäischen
Judentums“ drang Leonard H. Ehrlich programmatisch in das
Problemfeld
vor,
das im Zentrum des thematischen Anliegens der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
liegt. Er versuchte, das Thema einerseits aus dem Geiste des Denkens
von
Franz Rosenzweig und andererseits in schonungsloser Konfrontation mit
dem
Geschehen und den Folgen der Vernichtung des europäischen
Judentums
philosophisch zu durchdringen. Für uns alle war zwar
enttäuschend,
daß sich zu dieser so eindringlichen und grundlegenden
Vorlesung
nur eine kleine Schar von etwas mehr als einem Dutzend Studenten
einfand,
aber da diese Vorlesung inzwischen überarbeitet als Buch unter
dem
Titel Fraglichkeit der
jüdischen Existenz[10]
vorliegt,
sind die eindrucksvollen Ausführungen Leonard H. Ehrlichs
nicht
mehr
nur auf die anfängliche Hörerschaft in Kassel
begrenzt,
sondern
können nun impulsgebend in die philosophisch-theologische
Diskussion
um den geschichtlichen Einschnitt von Auschwitz und die daraus zu
ziehenden
Konsequenzen einwirken.
In
einem weiteren dreistündigen Seminar „Die
Existenzphilosophie Karl
Jaspers'“ mußte Leonard H. Ehrlich eine
ähnliche Erfahrung
machen
wie Peter Fuss ein Jahr zuvor mit seinem Hegel-Seminar. Leonard H.
Ehrlich
hoffte bei den deutschen Studenten mehr Grundkenntnisse über
den
existenzphilosophischen
Ansatz von Karl Jaspers vorzufinden, stattdessen fand er einige zwar
äußerst
interessierte Studenten vor, die er jedoch -
wie in seiner Heimatuniversität -
allererst in die Existenzphilosophie von Jaspers einführen
mußte.
Nachhaltige und fruchtbare Diskussionen lösten seine philosophischen Vorträge im Kreise der Kollegen des Fachbereichs Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften sowie im Rahmen der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit aus und fanden auch in Presse und Rundfunk viel Beachtung. Über seine Erfahrungen als Franz-Rosenzweig-Gastprofessor berichtete Leonard H. Ehrlich in Vorträgen und Zeitschriftartikeln in den USA; die Übersetzung einer dieser Berichte „Als jüdischer Gastprofessor in Kassel“ erschien auch in unserer Hochschulzeitschrift Prisma.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1989
Dr.
Joachim Israel
em.
Professor für Soziologie und Wissenschaftstheorie
Universität Lund
Joachim
Israel wurde 1920 in Karlsruhe geboren; er emigrierte 1938 nach
Schweden;
war dort zunächst fünf Jahre als Landarbeiter
tätig, bis
er an der Universität Stockholm sein Studium der Philosophie,
Psychologie
und Soziologie aufnehmen konnte. Er wurde 1952 promoviert und
habilitierte
sich 1956 in Soziologie. Bis 1963 lehrte er an der Universität
Stockholm,
danach war er Professor für Soziologie an der
Universität
Kopenhagen.
1971 erhielt er einen Ruf an die Universität Lund/Schweden, wo
er
bis zu seiner Emeritierung 1986 Soziologie und Philosophie lehrte.
Gastprofessuren
führten ihn in die USA, Norwegen, Israel, Australien und in
die
Bundesrepublik
Deutschland.
Joachim
Israel gehört zu den international bekanntesten Theoretikern
einer
philosophisch fundierten Soziologie; seine Bücher liegen in
viele
Weltsprachen übersetzt vor. In deutscher Übersetzung
erschienen
als Taschenbücher in hohen Auflagen:
Der Begriff Entfremdung (1972),
Die
sozialen
Beziehungen (1977),
Der Begriff
Dialektik (1979),
Sprache und Erkenntnis (1990) -
um nur die wichtigsten zu nennen. Seine Arbeiten befassen sich mit
zentralen
Problemen im Schnittfeld von Philosophie, Soziologie, Sozialpsychologie
und Sprachwissenschaft. Die Spannweite der Themen, die Joachim Israel
bearbeitet,
ist außergewöhnlich und eindrucksvoll, sie reicht
von
wissenschaftstheoretischen
Abhandlungen zu konkreten empirischen Analysen; Theorie und Praxis
verweisen
aufeinander.
Joachim
Israel hatte schon 1981 eine Gastprofessur an der Universität
Gesamthochschule
Kassel inne; seit dieser Zeit war er an der Betreuung zweier Kasseler
Promotionen
mitbeteiligt und kam auch sonst immer wieder zu Arbeitstagungen und
Konferenzen
nach Kassel, so auch zum
Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß 1986,
so daß er, mit der Gesamthochschule bestens vertraut, von
Anfang
an eine große Hörerschaft hatte.
Joachim
Israel nahm die Einladung des Fachbereichs
Gesellschaftswissenschaften auf die
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1989 jedoch vor allem als Herausforderung an, um sich erneut mit den
Schriften
seines philosophischen Lehrers Martin Buber auseinandersetzen zu
können,
wobei es ihm auch darauf ankam, Martin Buber als Mitbegründer
einer
kulturwissenschaftlichen Gesellschaftstheorie zu Beginn unseres
Jahrhunderts
und als zionistischen Sozialisten herauszustellen -
eine Seite Bubers, die in der deutschen Buber-Rezeption oftmals
unterschlagen
wird. Die Ergebnisse dieses Seminars „Martin Buber -
deutscher und jüdischer Philosoph“ liegen inzwischen
in
schwedischer
und deutscher Sprache Martin
Buber. Dialogphilosophie in Theorie und Praxis publiziert
vor.[11]
In
Fortführung seiner grundlagentheoretischen Studien trug
Joachim
Israel
in einer Vorlesung „Sprachphilosophische Probleme in
erkenntnistheoretischer
Sicht“ vor, die im anschließenden Kolloquium
heiß
diskutiert
wurden -
auch diese Ausführungen sind inzwischen als Buch Sprache
und Erkenntnis erschienen.[12]
In einem weiteren Seminar widmete sich Joachim Israel der
„Motivationspsychologie
und grundlegenden Fragen der Handlungstheorie“.[13]
Für
uns Kollegen waren jedoch die freien Kolloquien am
eindrücklichsten,
in denen uns Joachim Israel, ganz im Sinne des dialogischen Lernens,
wie
es Franz Rosenzweig für das
Freie Jüdische Lehrhaus gefordert
hatte,
sokratisch
an meist ethisch-politische Alltagsprobleme anknüpfend, in ein
gemeinsames
Philosophieren verwickelte.
Joachim
Israel verstarb nach
kurzem, aber
schwerem Krebsleiden im 81.
Lebensjahr am 15. Mai 2001 in Halmstad/Schweden.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1990
Dr.
Eveline Goodman-Thau
Professorin
für Jüdische Studien
Halle-Wittenberg/Jerusalem
Eveline
Thau wurde 1934 in Wien geboren, 1939 floh die Familie nach Holland, wo
sie die Zeit der deutschen Okkupation versteckt überlebte.
Nach
dem
Krieg besuchte sie das Gymnasium in Hilversum und begann nach dem
Abitur
1953 ihr Studium in Englischer Literatur und Judaistik an der
Universität
Amsterdam. 1956 heiratete sie und wanderte nach Israel aus. Erst
nachdem
ihre fünf Kinder herangewachsen waren, nahm sie erneut ein
Studium
der Bibelwissenschaft, rabbinischer Texte und jüdischer
Philosophie
an der Hebräischen Universität in Jerusalem auf. Seit
1976
leitete
Eveline Goodman-Thau dort als Lehrbeauftragte eigene Seminare in
jüdischer
Exegese und Theologie nach Auschwitz. Seit 1982 war sie Dozentin
für
jüdische Philosophie und Literatur am Martin-Buber-Institut in
Jerusalem
und hielt zahlreiche Gastvorlesungen in den USA und in mehreren
europäischen
Ländern, seit 1987 auch in der Bundesrepublik Deutschland.
Die
Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit von Eveline Goodman-Thau
sind:
das Studium der Bibel und ihre rabbinische Exegese, die
Auseinandersetzung
mit der jüdischen Philosophie, die Erfahrungen des
niederländischen
Judentums (von 1966 bis 1976 war sie Direktorin des Institute for
Research
on Dutch Jewry und erarbeitete ein Lexikon über die
holländischen
„Gerechten der Völker“), seit 1989 ist sie
im Vorstand der
European
Society of Women for Theological Research.
Auf
Einladung der Studienfächer der Evangelischen und Katholischen
Religion
wurde Eveline Goodman-Thau 1990 als Gastprofessorin an die
Universität
Kassel berufen und war damit die erste Frau auf der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur.
Zwar war sie zum Zeitpunkt ihrer Berufung noch nicht promoviert, aber
ihre
wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Bibelstudien und der
Kabbala
und insbesondere ihr Engagement auf dem Gebiet des
christlich-jüdischen
Dialogs sowie innerhalb der theologischen Frauenforschung
ermöglichten
es, diese formalbürokratische Hürde zu
überspringen.
Eveline
Goodman-Thau bot in dem aus terminlichen Gründen ins
Wintersemester
1990/91 verschobenen Gastsemester folgende Seminare an, die alle ins
Zentrum
der Erforschung des jüdischen Erbes europäischer
Geistesgeschichte
führten und erfreulicherweise auch alle sehr gut besucht
waren:
„Probleme
der Identität von Juden in Deutschland“,
„Franz Kafka und Paul
Celan -
Tradition als Widerspruch“, „Franz
Rosenzweig -
Übersetzer der Bibel“.
Die
Besetzung der Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 1990 erwies sich als
geradezu
schicksalhaft für Eveline Goodman-Thau und zugleich als
besonders
fruchtbar für die Fortführung der Institution der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur.
Prof. Ulrich Sonnemann bot Eveline Goodman-Thau an, sie mit einer
religionsphilosophischen
Arbeit, aus der sie Teilstücke in einem Kolloquium vorgetragen
hatte,
zu promovieren. Um ihr dies zu ermöglichen, bewilligte der
Otto-Braun-Fonds
Eveline Goodman-Thau Stipendienmittel für zwei weitere
Forschungssemester
an der Universität Gesamthochschule Kassel. Dies wiederum
schuf
die
Grundlage dafür, daß wir in der
Interdisziplinären Arbeitsgruppe für philosophische
Grundlagenprobleme gemeinsam
mit Eveline Goodman-Thau drei wissenschaftliche Symposien zu den Themen
„Kabbala und Romantik“ (1991), „Licht und
Geist -
Zur Lichtmetaphorik“ (1992), „Messianismus zwischen
Mythos und Macht“
(1993)
planen und organisieren konnten, deren Ergebnisse in zwei
Bänden
vorliegen.
Im
Herbst 1992 lag dann die Dissertation von Eveline Goodman-Thau
Zeitbruch. Zur messianischen Grunderfahrung in der
jüdischen
Tradition vor[14],
und im Februar 1993 konnte am Krankenlager von Ulrich Sonnemann noch
die
Disputation durchgeführt werden. Wenige Wochen später
erlag
Ulrich
Sonnemann im Alter von 81 Jahren seiner sich über ein Jahr
hinziehenden
Krebserkrankung.
Nach
ihren Gastsemestern in Kassel erhielt Dr. Eveline Goodman-Thau einen
weiteren
Ruf für ein Gastsemester in Oldenburg und sodann eine
langfristige
Gastprofessur an der Universität HalleWittenberg, von
wo aus
sie -
weiterhin in enger Verbindung mit Kassel -
auch die wissenschaftlichen Symposien „Jüdisches
Denken in der
europäischen
Geistesgeschichte“ fortführte. Im Jahre 2000
habilitierte sich
Eveline
Goodman-Thau an der Universität Kassel mit der Arbeit Aufstand
der Wasser. Jüdische Hermeneutik zwischen Tradition und Moderne[15]
in
Religionsphilosophie.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1991
William
W. Hallo PhD PhD h. c.
em.
Professor für Assyriologie
Yale University – New Haven, Connecticut
William
W. Hallo wurde 1928 in Kassel geboren. Er entstammt einer
alteingesessenen
Kasseler Familie, sein Vater Dr. Rudolf Hallo -
zunächst unmittelbarer Nachfolger von Franz Rosenzweig in der
Leitung
des Freien Jüdischen
Lehrhauses -
war in den zwanziger Jahren Custos am Kasseler Landesmuseum; die Spuren
seines fruchtbaren Wirkens sind bis heute erhalten. Auch seine Mutter
Dr.
Gertrud Hallo entstammt einer angesehenen Kasseler Fabrikantenfamilie.
Ende der dreißiger Jahre konnte die Familie, nachdem sie
vorher
Schikanen
und Demütigungen ausgesetzt war, über England in die
Vereinigten
Staaten emigrieren.
William
W. Hallo studierte Near Eastern Languages and Literatures an der
University
of Chicago und an der Rijksuniversiteit Leiden und erwarb 1955 den PhD
an der University of Chicago. Nach mehreren Forschungsstellen und
Professuren
an verschiedenen Universitäten in den USA ist er seit 1976
Professor
für Assyriologie an der Yale University in New Haven und
zugleich
Leiter der Babylonien Collection der Sterling Memorial Library, der
größten
Sammlung sumerischer und babylonischer Texte. William W. Hallo ist
einer
der international renommiertesten Vertreter der Altorientalistik; er
erhielt
mehrere ehrenvolle Gasteinladungen an große
Forschungsinstitutionen,
ist im Vorstand mehrerer Fachgesellschaften und bekam den
Ehrendoktortitel
„Doctor of Humane Letters“ verliehen. Ihm verdankt
die Altorientalistik
nicht nur die Erstentzifferung einiger wichtiger Textfunde aus der
frühesten
Zeit menschlicher Schriftkultur, sondern als profunder Kenner der
Sprachen
und Kulturen Mesopotamiens in den ersten vier Jahrtausenden
v.u.Z. hat er auch wesentlich zu einer kulturgeschichtlichen
Gesamtdeutung
der Menschheitsgeschichte beigetragen.
Mit
Prof. William W. Hallo wurde erstmals ein aus Kassel
gebürtiger
Gelehrter
auf die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur berufen. 1986 war er zum ersten
Mal wieder in seine Geburtsstadt Kassel zurückgekehrt, um auf
dem
Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß über
Probleme und Erfahrungen bei der Übersetzung von Rosenzweigs
Stern der Erlösung ins
Englische (1971) zu referieren. Trotzdem war ihm die Annahme der
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
nicht ganz leicht gefallen, denn William W. Hallo wußte nicht
so
recht, was die Studierenden in Kassel von ihm als Altorientalisten
erwarteten
und was ihn daher an einer Universität, die keine
Altorientalistik
anzubieten hat, erwarten werde. Aus Achtung vor dem Werk von Franz
Rosenzweig
nahm William W. Hallo die Einladung des Fachbereichs
Gesellschaftswissenschaften auf
die Gastprofessur für das Fachgebiet Alte Geschichte an. Diese
Herausforderung
für beide Seiten wurde aber doch ein großes
Ereignis.
William
W. Hallo trug vor einer großen, ihm gespannt lauschenden
Hörerschaft
die dreistündige Vorlesung
„Ursprünge -
der altorientalische Hintergrund einiger menschheitlicher
Errungenschaften“
vor, wobei er besonders auf das Alltagsleben in den frühen
Kulturen
Mesopotamiens einging -
auf die Stellung der Frau, das Schulwesen, das Finanzwesen, aber auch
auf
die Zeitrechnung, den Kalender und die Mythologie. Der Zwang, vor
Studierenden
zu sprechen, die lediglich rudimentäre allgemeingeschichtliche
Vorkenntnisse
aus der Zeit der frühen Hochkulturen Mesopotamiens hatten,
wurde
für
William W. Hallo eine fruchtbare Herausforderung, diese ein breites
Publikum
ansprechende Darstellungsform auch für die inzwischen
erschienene
Ausarbeitung seiner Vorlesung im großen Buch
Origins[16]
zu
wählen.
In
einem weiteren dreistündigen Seminar behandelte William W.
Hallo
„Die
Schrift und ihre Übersetzungen: Theorie und Praxis der
Übertragung
von ihrem Ursprung bis heute“, wobei er hierin besonders auch
auf die
von
Buber und Rosenzweig unternommene
Verdeutschung der
Schrift einging,
jedoch auch seine eigenen reichen Erfahrungen mit
Übertragungen
von
babylonischen Texten, die sich in der Bibel wiederfinden, bis hin zur
Übersetzung
von Franz Rosenzweigs Stern der Erlösung anschaulich
einbringen konnte.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1992
Dr.
Zvi H. Rosen
em.
Professor für Politische Philosophie
Tel Aviv University
Zvi
H. Rosen wurde 1925 in Danzig geboren. Schon in seiner Kindheit war er
Zurücksetzungen durch deutsche Mitschüler ausgesetzt.
1939
begannen
jedoch in Danzig die eigentlichen Verfolgungen, denen fast alle seine
Familienangehörigen
zum Opfer fielen. Durch glückliche Zufälle entging er
den
Häschern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Zvi H. Rosen sein Studium der
Philosophie
und Soziologie in Polen -
zunächst in Wrocław,
dann in Warschau -
auf. Von 1953 bis 1958 war er Dozent der Philosophie an den
Universitäten
Wrocław
und
Warschau. 1957 erwarb er den Dr.
Ph. an der Universität
Warschau bei Leszek Kolakowski. Der erneut aufkommende Antisemitismus
in
Polen veranlaßte ihn endgültig zur Auswanderung nach
Israel.
Nach einigen Jahren Tätigkeit als Leiter der Technischen
Hochschule
in Tel Aviv ist Zvi H. Rosen seit 1964 Professor für
Philosophie
an
der Universität Tel Aviv -
von 1983 bis 1988 war er Dekan der Philosophischen Fakultät.
Seine
in mehreren Sprachen -
Polnisch, Englisch, Hebräisch, Deutsch -
verfaßten und in noch zahlreichere Sprachen
übersetzten
Bücher
und philosophischen Abhandlungen kreisen vor allem um drei
Themenfelder:
1. die philosophiegeschichtliche Erforschung der
Junghegelianer -
vor allem Moses Hess, Bruno Bauer und Karl Marx; 2. Studien zur
politischen
Philosophie von Friedrich Nietzsche; 3. die philosophische
Erschließung
der Kritischen Theorie, insbesondere Studien zu Max Horkheimer und
Herbert
Marcuse. Alle diese drei Forschungsfelder sind miteinander
verschränkt,
wobei es Zvi H. Rosen jeweils besonders darum geht, den Wechselbezug
politischen
und religiösen Denkens herauszuarbeiten.
Zu
Zvi H. Rosen bestanden schon vor seiner Berufung auf die
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
durch den Fachbereich
Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften thematische
Arbeitszusammenhänge, zum einen über seine
philosophiegeschichtlichen
Forschungen zu den Junghegelianern und zum anderen über seine
Untersuchungen
zur Kritischen Theorie -
eine philosophische Richtung, die durch Ulrich Sonnemann an der
Universität
Gesamthochschule Kassel profiliert vertreten war.
So
war es auch ganz verständlich, daß Zvi H. Rosen in
seinem
ins
Wintersemester 1992/93 verschobenen Gastsemester zum einen ein Seminar
zu „Moses Hess' politischer und sozialer
Philosophie“ anbot, um gerade
auch an dessen Frühschriften und Spätwerk die innere
Verschränkung
von sozial-politischem und jüdisch-religiösem Denken
aufzudecken,
und zum anderen in dem weiteren Seminar „Max Horkheimer:
Jüdischer
Humanismus und Kritische Theorie“ auf die -
teils von Horkheimer selbst unter Verschluß gehaltenen, teils
von
seinen Nachlaßverwaltern zurückgehaltenen -
jüdischen Quellen im Denken Horkheimers aufmerksam zu machen.
Diese
Studien sind inzwischen in der Monographie
Max Horkheimer[17]
erschienen.
In
seiner Hauptvorlesung mit anschließendem Kolloquium ging Zvi
H.
Rosen
auf „Friedrich Nietzsches politische Welt“ ein,
eine sehr spannende und
kontrovers diskutierte Interpretation, die Nietzsche gegen seine
mannigfaltigen
Verfälscher in Schutz zu nehmen versuchte. Auch diese
Vorlesung
soll
in Kürze als Buch herauskommen.
Weiterhin
hielt Zvi H. Rosen eine Reihe öffentlicher
Vorträge -
auch bei späteren Besuchen in den folgenden Jahren -,
die ebenfalls um die inneren Zusammenhänge politischer und
religiöser
Anschauungen bei deutschen und jüdischen Denkern in den
letzten
beiden
Jahrhunderten kreisten.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1993
Dr.
Dr. h. c. Jacob Goldberg
em.
Professor für Osteuropäische Geschichte
The Hebrew University, Jerusalem
Jacob
Goldberg wurde 1924 in Lodz geboren, in der Zeit der Nazi-Okkupation
Polens
wurde er zunächst im Ghetto in Lodz, dann in einem
Außenlager
des KZ Buchenwald unter schrecklichen Bedingungen zum Arbeitseinsatz in
einer Munitionsfabrik gezwungen. Nach der Befreiung aus dem
Konzentrationslager
kehrte er in seine Heimatstadt Lodz zurück. Er war der einzige
seiner
Familie, der den Holocaust überlebt hatte. An der
Universität
Lodz begann er das Studium der Geschichtswissenschaft und
wurde -
nach seiner Promotion zum Dr. Ph. -
dort selber Hochschullehrer. Als sich in Polen ein erneuter
Antisemitismus
erhob, emigrierte er nach Israel, wo er seit 1968 an der
Universität
Jerusalem Osteuropäische Geschichte lehrt; seit 1989 ist er
Direktor
des dortigen Zentrums zur Erforschung der Geschichte und Kultur der
Juden
Osteuropas.
Jacob
Goldberg ist unbestritten einer der besten Kenner und angesehendsten
Forscher
der Geschichte des osteuropäischen Judentums. In seinen
Forschungen
hat er sich vornehmlich auf die Wirtschafts- und Sozialgeschichte und
die
Situation der jüdischen Gemeinden in Polen des 17. und 18.
Jahrhunderts
konzentriert. In seinen zahlreichen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen
arbeitet er die bisher noch viel zu wenig bekannte rechtliche,
ökonomische,
kulturelle und religiöse Lebenssituation des
osteuropäischen
Judentums und ihres enormen Einflusses auf die
westeuropäischen
Länder
heraus. Für sein Werk
Jewish Privileges in the Polish Commonwealth wurde
er mit einem angesehenen Preis geehrt, von der Universität
Warschau
wurde er 1992 mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Er war
Gastprofessor
in den USA, England und Polen sowie in Köln, München
und
Berlin.
Auf
Einladung des Fachgebiets Geschichte im Fachbereich
Gesellschaftswissenschaften stellte
Jacob Goldberg im Sommersemester 1993 in einer groß
angelegten
Vorlesung
„Die soziale und kulturelle Entwicklung des
osteuropäischen
Judentums“
dar, die er im daran anknüpfenden Seminar „Die Juden
in
Polen-Litauen“
noch detaillierter an Beschreibungen der Lebenssituation der Juden im
Stetl
unter polnisch-litauischer und russischer Herrschaft entfaltete.
Inzwischen
erschien eine Teilstudie aus diesen Franz-Rosenzweig-Gastvorlesungen:
„Jüdische Stadtbevölkerung im
frühneuzeitlichen
Ostmitteleuropa“.[18]
Jacob
Goldberg vergegenwärtigte in seinen Veranstaltungen eine Welt,
von
der wir in Westeuropa kaum Kenntnis genommen haben und die inzwischen
nicht
nur geschichtlich versunken ist, sondern deren Spuren durch die
Deutschen
unter dem Nationalsozialismus restlos vernichtet wurden. Mit den
osteuropäischen
Juden, die von den Deutschen ermordet wurden, versank auch die
jiddische
Kultur mit ihrer großen Ausstrahlungskraft, die zugleich ein
so
unvergleichliches
Bindeglied zwischen der deutschen und der osteuropäischen
Kultur
darstellte.
In
einem weiteren Seminar untersuchte Jacob Goldberg dann das Bild, das
von
„Deutschen Osteuropareisenden“ seit dem 18.
Jahrhundert in Westeuropa
verbreitet
wurde, und versuchte, die dadurch tradierten Verzerrungen
zurechtzurücken.
Unter anderem kam er dabei auch auf Georg Forster zu sprechen, der
selbst,
aus Nassenhuben bei Danzig stammend, nach seiner Weltumsegelung mit
James
Cook und nach seiner Professur für Naturgeschichte in Kassel
auf
seiner
Reise 1784 durch Polen und bei seinem Aufenthalt als Professor
für
Naturkunde an der Universität Wilna die dortigen
Lebensverhältnisse
aufgezeichnet hatte. Auch hier war es faszinierend, von Jacob Goldberg
diese Texte aus einem geographischen und geschichtlichen Gegenblick neu
entschlüsselt zu bekommen.
Weiterhin
hielten Prof. Jacob Goldberg und seine Frau, die Ethnographin Dr. Olga
Goldberg, in Kassel eine Reihe öffentlicher Vorträge
zu
verschiedenen
Dimensionen des Alltagslebens im osteuropäischen Stetl, so
beispielsweise
über die bei uns völlig unbekannte hebräisch
geschriebene
jiddische Frauenliteratur vom 19. Jahrhundert bis zur
Zerstörung
des
Judentums in Osteuropa.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1994
Dr.
med. Dr. phil. Benyamin Maoz
em.
Professor für Psychiatrie und Psychotherapie
Ben Gurion University, Beer Sheva
Benyamin
Maoz wurde 1929 in Kassel geboren; er entstammt der alteingesessenen
und
angesehenen Kasseler Familie Mosbacher. Nach vielen Repressionen und
Erniedrigungen,
welche die Familie erleiden mußte, emigrierte sie 1937 nach
Palästina.
Nach der Schulzeit und dem Militärdienst nahm er sein Studium
der
Medizin zunächst an der Hebrew University Jerusalem auf,
wechselte
dann an die Universität Amsterdam, wo er 1959 mit dem Dr. med.
abschloß.
Ab 1959 war er zunächst als praktischer Arzt im Kupat-Holim
Kibbuz
tätig, danach seit 1970 in verschiedenen Kliniken. Nach einer
weiteren
Ausbildung in Sozialpsychiatrie wurde er 1973 auch noch zum Dr. phil.
promoviert.
Seit 1979 ist er Head of the Psychiatric Department des Soroka Medical
Center in Beer-Sheva. Parallel dazu war er als Lecturer und Senior
Lecturer
an der Universität Tel Aviv tätig und ist seit 1978
Professor
für Psychiatrie an der Ben Gurion University in Beer-Sheva.
Einladungen
zu Gastprofessuren führten ihn in die Vereinigten Staaten,
nach
Kanada,
in die Niederlande und an die Universität Marburg (1989).
Benyamin
Maoz ist Sozialpsychiater und Psychotherapeut; auf diesem Gebiet ist er
ein international ausgewiesener und anerkannter Spezialist für
die
Trauma- und Lebenskrisenforschung. Mit Prof. Benyamin Maoz berief der
Fachbereich
Sozialwesen einen zweiten
aus Kassel stammenden Wissenschaftler auf die
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur.
Schon 1986 war Benyamin Maoz zum Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß erstmals
in seine Geburtsstadt Kassel zurückgekommen und referierte
damals
zusammen mit Gerda Elata-Alster über psychotherapeutische
Aspekte
im Denken von Franz Rosenzweig.
Obwohl -
ähnlich wie bei William W. Hallo, dem Jugendfreund aus seinen
Kindheitstagen
in Kassel -
auch die Psychiatrie als Fach einer Medizinischen Fakultät in
Kassel
nicht vertreten ist, sah es Benyamin Maoz aufgrund seiner speziellen
Interessen
in der Sozialpsychiatrie von Anbeginn als eine besondere
Herausforderung
an, im Studienschwerpunkt „Soziale Therapie“ des
Fachbereichs
Sozialwesen zu lehren. Insofern
stießen auch seine fachspezifischen Vorlesungen
„Psychiatrische
und
psychosomatische Erkrankungen in systemtheoretischer Sicht“
und sein
Seminar
„Posttraumatische Reaktionen in der ersten und zweiten
Generation -
Unglücks- und Kriegsneurosen, Terror und Holocaust“
auf regen
Zuspruch
bei den Studierenden. Ihm ging es vor allem darum, über die
rein
theoretischen
Kenntnisse hinaus, den Studierenden Orientierungen für eine
sozialtherapeutische
Kompetenz zu vermitteln, um sie dadurch zu eigenen Entscheidungen und
Handlungen
zu befähigen.
Benyamin
Maoz nahm die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur auch deshalb an, weil er
etwas
vom „neuen Lernen“ im Sinne Rosenzweigs realisieren
wollte. Schon im
Freien Jüdischen Lehrhaus hatte
Franz Rosenzweig in den zwanziger Jahren gerade auch Ärzte zu
Vorträgen
und zu Arbeitsgemeinschaften über Fragen
„jüdischer Ethik“ im
medizinischen Bereich eingeladen. In diese Tradition stellte Benyamin
Maoz
sein Seminar „Biblische Gestalten im Lichte einer modernen
psychologischen
Analyse sowie Probleme einer 'jüdischen Ethik'“,
wobei er anhand
von
biblischen Texten und der Ethik von Maimonides alltägliche
Lebensentscheidungen
im familiären, aber auch beruflichen Bereich behandelte und
diskutieren
ließ.[19]
Auch seine öffentlichen Vorträge im Philosophischen Forum sowie im Rahmen der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit waren ein wichtiger Bestandteil seiner Wahrnehmung der Franz-Rosenzweig-Gastprofessur, denn gerade dadurch, daß Benyamin Maoz dabei anschaulich vom Leben seiner Familie in Kassel vor und während der Nazi-Zeit berichtete, das Leben in den ersten Jahren in Palästina schilderte oder aus ärztlicher Sicht von den traumatischen Spätfolgen der Überlebenden der Shoa sprach, wurde für die Hörer schlagartig und erschütternd das Ungeheuerliche der gerade erst 50 bis 60 Jahre zurückliegenden Nazi-Verbrechen bewußt, an das zu erinnern wir nicht nachlassen dürfen.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1995
Rivka
Horwitz PhD
em.
Professorin für Jüdische Geistesgeschichte
Ben Gurion University, Beer Sheva
Rivka Horwitz,
geb. Goldschmidt, wurde 1926 in Bad Homburg
geboren; ihre väterliche
Familie stammt aus Kassel. Um den Schikanen zu entgehen, emigrierte die
Familie im Herbst 1933 nach Palästina. Nach Beendigung der
Schulzeit
und des Militärdienstes studierte sie Jüdische
Philosophie,
Religiöse
Mystik und Philosophiegeschichte zunächst in Jerusalem und
dann in
New York. 1962 schloß sie ihr Studium mit dem PhD in
Philosophy
an
der University of Pennsylvania (Bryn Mawr) mit einer Arbeit
über
Franz
Rosenzweigs Sprachphilosophie ab.
Nach
mehreren Anstellungen seit 1965 als Lecturer, Senior Lecturer und
Associate
Professor an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten
Staaten
und Israel ist Rivka Horwitz seit 1975 an der Ben Gurion University in
Beer Sheva tätig, seit 1981 ist sie Professorin für
Jewish
Thought
im Department of History. 1982/83 war sie Visiting scholar im
Department
of Religion der Harvard University und 1987/88 Gastprofessorin an der
Hochschule
für Jüdische Studien an der Universität
Heidelberg.
Ihr
Arbeitsgebiet umfaßt die gesamte Traditionslinie
jüdischen
Denkens
in der europäischen Geistesgeschichte, doch liegt ihr
spezieller
Forschungsschwerpunkt
in der Erforschung der jüdischen Philosophie und Religion des
19.
und 20. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum. Auf diesem Gebiet
genießen
ihre Forschungen hohes internationales Ansehen. Ihre wichtigsten
Arbeitsschwerpunkte
sind die Geschichte des jüdischen Denkens und deren Erneuerung
im
19. Jahrhundert sowie die Aktualität der
religionsphilosophischen
Werke von Franz Rosenzweig und Martin Buber.
Diese
Arbeitsschwerpunkte standen auch im Mittelpunkt der
Lehrveranstaltungen,
die Prof. Rivka Horwitz als Franz-Rosenzweig-Gastprofessorin im
Fachgebiet
Religion des Fachbereichs
Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften anbot.
Ihre Hauptvorlesung widmete sie „Rosenzweigs
Sprachdenken“. Mit einer
Arbeit
über Speech and Time in the Philosophy of Franz
Rosenzweig hatte
Rivka Horwitz 1962 den PhD erworben. Nach der Dissertation von Else
Freund
Die Existenzphilosophie Franz Rosenzweigs,
die 1933 in Breslau erschien, aber gleich nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten wieder eingezogen wurde, war Rivka Horwitz' Arbeit
eine der ersten Einstiege in die philosophische Interpretation der
Werke
Rosenzweigs. Auch in den Jahren danach hatte Rivka Horwitz
über
Franz
Rosenzweig weiter geforscht. So referierte sie auf dem Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß 1986
in Kassel über das Thema „Warum ließ sich
Rosenzweig nicht
taufen?“
und ein Jahr später gab sie mit einer großen
Einleitung eine
Auswahl von Rosenzweigs Briefen und Tagebüchern in
Hebräisch heraus. All dies floß nun in ihre
Interpretation
von
Rosenzweigs Sprachdenken ein, die sie in Kassel vortrug.
In
einem weiteren Seminar „Sind Bubers dialogisches Denken und
seine
chassidische
Botschaft noch aktuell?“ führte sie ihre
Hörer in Grundmotive
der Religionsphilosophie Bubers ein. Auch hier konnte Rivka Horwitz auf
langjährige eigene Forschungsarbeiten zurückgreifen.
So hatte
sie erstmals die spannende Entstehungsgeschichte von Martin Bubers
philosophischem
Hauptwerk Ich und Du (1923)
nachgezeichnet. Ursprünglich aus einer Vorlesung
„Religion als
Gegenwart“
hervorgegangen, zu der Rosenzweig Buber 1921 überredet hatte,
zeigt
die weitere Entwicklung Spuren der kritischen Auseinandersetzungen mit
Rosenzweig, durch die ihre Freundschaft und spätere
Zusammenarbeit
begründet wurde. Es war faszinierend mitzuerleben, wie es
Rivka
Horwitz
gelang, diese spannenden geistesgeschichtlichen Zusammenhänge
in
ihrer
Aktualität zu verlebendigen.
In einer dritten Lehrveranstaltung „Moses Mendelssohn: 'Jerusalem' und der Briefwechsel mit Lavater“ ging Rivka Horwitz nicht nur auf Mendelssohns Eröffnung der Bewegung zur Emanzipation der Juden in Deutschland ein, sondern auch auf die Widerstände, die ihrer Emanzipation von Anfang an in den Weg gestellt wurden. Dies war auch Thema einer Reihe von öffentlichen Vorträgen, die Prof. Rivka Horwitz in Kassel hielt. Einige ihrer Kasseler Vorträge und Abhandlungen sind inzwischen in einem Sammelband erschienen.[20]
Prof.
Rivka Horwitz verstarb am 4.1.2007.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1996
Dr.
Dr. h. c. Hans Keilson
Psychotherapeut,
Psychoanalytiker
und Schriftsteller, Bussum
Hans
Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde/Oder geboren. Nach dem Abitur
absolvierte
er zunächst eine Sportlehrerausbildung und studierte danach
Medizin
und Musik in Berlin, konnte aber nach seinem medizinischen Staatsexamen
im nationalsozialistischen Deutschland nicht als Arzt arbeiten. 1933
erschien
im Fischer Verlag sein erster Roman
Das Leben geht weiter,
in dem er die Geschichte
vom wirtschaftlichen Niedergang eines kleinen Kaufmanns -
seines Vaters -
erzählt. Das Buch wurde mit vielen anderen kurz danach
verboten
und
verbrannt. 1936 emigrierte Hans Keilson mit seiner Frau in die
Niederlande,
wo er im sozialpädagogischen Bereich tätig
wurde. Als
die
Niederlande durch die Deutschen okkupiert wurden, tauchte er unter und
arbeitete in Kooperation mit einer holländischen
Widerstandsgruppe
bei der medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen
Betreuung
versteckter jüdischer Kinder und Jugendlichen mit. Nach dem
Zweiten
Weltkrieg knüpfte er an diese Arbeit an. Mit anderen zusammen
gründete
er die Organisation „Le Ezrat HeJeled“, die sich um
die jüdischen
Waisenkinder, die Überlebenden des Holocaust,
kümmerte.
1947
holte er das niederländische Arztexamen nach und
schloß eine
psychoanalytische Ausbildung an. 1959 erschien sein zweiter Roman
Der Tod des Widersachers,
in dem er seine eigenen
Erfahrungen während der Nazi-Herrschaft in Deutschland und in
den
Niederlanden verarbeitet. Ab 1967 begann er an der
kinderpsychiatrischen
Universitätsklinik mit der umfangreichen Langzeit-Untersuchung
über
die Traumatisierungen bei Holocaust-Waisen. Mit den Aufsehen erregenden
und erschütternden Ergebnissen seiner Forschungsarbeit wurde
Hans
Keilson im Alter von 70 Jahren 1979 promoviert. Das umfangreiche Buch
Sequentielle Traumatisierung bei Kindern ist -
inzwischen in mehrere Sprachen übersetzt -
zu einem Standardwerk der Traumaforschung geworden. Seine Forschungen
haben Erkenntnisse über Entstehung, Verlauf und
Verstärkung
von
schwersten Traumatisierungen bei Kindern in der Entwicklungsphase
erbracht,
die von einer Reihe von internationalen Studien inzwischen
berücksichtigt
und weitergeführt worden sind.
Auf
Einladung des Fachgebiets der Psychoanalytischen Psychologie im
Fachbereich
Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften trug
Hans
Keilson als Franz-Rosenzweig-Gastprofessor in einer Vorlesung
„Traumatisierung
durch man-made-disaster und das Konzept der sequentiellen
Traumatisierung“
die Ergebnisse seiner großen Forschungsarbeit vor. Weiterhin
bot
er ein Seminar „Vorurteil und Haß“ an, in
dem er nicht nur
verschiedene
Aspekte der Entstehung von Vorurteilen, ihre Tradierung in
Geschichtsbildern
und ihre politische Ausnutzung behandelte -
wobei er nicht vor Tabuthemen wie dem „linken
Antisemitismus“
zurückschreckte -,
sondern auch ihre Wurzeln psychoanalytisch aufzuhellen versuchte.
In
Kooperation mit einigen Kollegen verschiedenster Fachgebiete von der
Philosophie
über die Geschichts-, Politik- und Erziehungswissenschaft bis
hin
zur Psychoanalyse führte Hans Keilson eine Vorlesungsreihe mit
Kolloquium
zum Thema „Was war der Nationalsozialismus? Was bedeutet es,
sich an
ihn
zu erinnern?“ vor über hundertfünfzig
Teilnehmern durch, die
nachhaltig in der Diskussion unter Studenten und Kollegen fortwirkte.
Eindrucksvoll
und bewegend aber waren auch seine öffentlichen Lesungen im
Rahmen
der Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit,
des
Evangelischen
Forums sowie
anläßlich der
Eröffnung
des Instituts für Psychoanalyse an der
Universität Gesamthochschule Kassel, in denen Hans Keilson vor
allem
aus seinem Roman Der Tod des Widersachers sowie
aus seinem Gedichtband Sprachwurzellos vortrug.
Seine
Kasseler Vorträge erschienen 1998 im Band Wohin die
Sprache nicht reicht. Zu seinem 90. Geburtstag veranstaltete
die
Universität
Kassel ihm zu Ehren ein Symposion „Gedenk und
vergiß – im
Abschaum
der Geschichte“. Die gesammelten literarischen Werke des
vielfach
geehrten
Schriftstellers Hans Keilson erschienen inzwischen in zwei
Bänden
im S. Fischer Verlag.[21]
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1997
Dr.
h. c. Emil L. Fackenheim PhD
em.
Professor für Philosophie und Rabbiner
Jerusalem
Emil
Ludwig Fackenheim wurde 1916 in Halle an der Saale geboren. 1935 konnte
er dort am Stadtgymnasium noch das Abitur abschließen. Um
für
sich gegen die immer brutaler werdende Ausgrenzung von Juden in
Deutschland
ein Zeichen des Widerstands zu setzen, entschloß er sich zum
Rabbinatsstudium
an der Hochschule für
die Wissenschaft des Judentums in
Berlin, das er mit der Ordination zum Rabbiner auch noch
abschließen
konnte. Nebenher studierte er -
soweit es damals für jüdische Studenten noch
möglich
war -
Philosophie und Arabistik an der Universität Halle. Beim
Reichspogrom
im November 1938 wurde Emil Fackenheim zusammen mit vielen anderen ins
Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt, wo er bis Februar 1939
interniert
war. Bald nach seiner Entlassung gelang ihm die Emigration nach
Schottland,
wo er zunächst an der University of Aberdeen sein
Philosophie-Studium
wieder aufnehmen konnte, dann aber als deutscher Staatsbürger
in
Britannien
und Kanada interniert wurde. Erst 1942 wurde ihm erlaubt, sein Studium
der Philosophie an der University of Toronto erneut aufzunehmen, so
daß
er es 1945 mit dem PhD abschließen konnte.
Seit
1943 bereits als Rabbiner in Hamilton tätig, bekam Emil
Fackenheim
1948 eine Stelle als Lecturer für Philosophie an der
University of
Toronto. 1961 wird er dort zum Professor für Philosophie
berufen -
eine Professur, die er bis zu seiner Emeritierung 1981 innehat. Nach
zwei
Jahren als Visiting Professor an der Hebrew University in Jerusalem
übersiedelt
Emil Fackenheim 1983 endgültig nach Jerusalem. Emil Fackenheim
erfuhr
mehrere Ehrungen, 1992 erschien in Toronto für ihn die
Festschrift
Emil Fackenheim: German Philosophy and Jewish Thought.
Mit
Emil Fackenheim hat das Fachgebiet Philosophie im Fachbereich
Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften einen
der bedeutendsten jüdischen Religionsphilosophen der zweiten
Hälfte
des 20. Jahrhunderts auf die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur berufen
können.
Schon 1986 war Emil Fackenheim zum Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß in
die Heimatstadt seiner Großeltern gekommen und hatte
über
die
Verbindungslinien seines eigenen Denkens zu Rosenzweigs
Existenzphilosophie
aus jüdischen Quellen referiert.
Emil
Fackenheims frühe philosophische Arbeiten zur
mittelalterlichen
und
zur klassischen deutschen Philosophie -
so beispielsweise seine Bücher
Metaphysics and Historicity (1961)
und The Religious Dimension in Hegels Thought (1967) -
gehören auch heute noch zu den angesehendsten philosophischen
Interpretationen
auf ihrem Gebiet. Ein weiterer Hauptstrang seiner frühen
Studien
gilt
dem jüdischen Denken, wie beispielsweise sein Buch
Paths to Jewish Belief (1960).
Dies sind die beiden Wurzeln seines Denkens, die Emil
Fackenheim -
miteinander verschränkt -
seit 1967 ganz und gar auf das philosophische und theologische Bedenken
des geschichtlichen Einschnitts von Auschwitz konzentriert. Ohne sich
dem
grauenvollen Geschehen von Auschwitz zu stellen, kann es kein
ungebrochenes
Wiederanknüpfen an die sittliche Dimension der
abendländischen
Philosophie geben, aber selbst der jüdische Glaube eines
Bundes
mit
Gott wird durch die Shoa vor eine äußerste
Belastungsprobe
gestellt.
Dies ist keineswegs eine Absage an diese Traditionen, sondern ihre
höchste
Herausforderung: sich im Denken wider Auschwitz sittlich und
religiös
zu bewähren. Das ist auch das Thema der Hauptwerke von Emil
Fackenheim
Encounters Between Judaism and Modern Philosophy (1973),
To Mend the World (1982),
The Jewish Bible after the Holocaust (1991).
Alle
drei Lehrveranstaltungen, die Emil Fackenheim in Kassel als
Franz-Rosenzweig-Gastprofessor
anbot, kreisten um diese grundlegende Thematik des Bedenkens von
Auschwitz.
In „Was ist Judentum“ stellte er sein eben in den
Druckfahnen der
deutschen
Übersetzung vorliegendes Buch
What is Judaism (1987) vor.[22]
In
„Jüdisches Denken im 20. Jahrhundert“
setzte er sich mit Franz
Rosenzweig und Martin Buber auseinander und befragte sie darauf,
inwieweit
ihr Denken auch Antwort zu geben vermag auf das Geschehen von
Auschwitz.
Im Seminar „Grundlagen jüdischen Denkens nach dem
Holocaust“
behandelte
Emil Fackenheim schließlich Themen aus seinem Hauptwerk To
Mend the World.
Auf
dem zweiten Kasseler Franz-Rosenzweig-Kongreß im
März 2004
sollte
Emil Fackenheim einen der zentralen Plenumsvorträge halten. Er
verstarb
unerwartet ein halbes Jahr davor am 19. September 2003. Anstelle seines
Vortrags fand auf dem Internationalen Kongreß sodann ein
Fackenheim
Memorial statt, das in den Kongreßakten erscheint.[23]
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1998
Rafael
N. Rosenzweig
Ökonom
und Agrarwirtschaftler
Tel Aviv und Zürich
Rafael
Rosenzweig wurde 1922 als Sohn von Franz und Edith Rosenzweig in
Frankfurt
a.M. geboren. Als er heranwuchs, war sein Vater bereits von einer
totalen
Lähmungserkrankung befallen. Aber er erlebte, wie
berühmte
Gelehrte
seinen Vater am Krankenbett aufsuchten, und durfte dabei sein, wenn
Martin
Buber und sein Vater gemeinsam an der
Verdeutschung der Schrift arbeiteten.
Bereits in diesen Jahren, aber auch in den Jahren nach dem Tode seines
Vaters 1929, verbrachte er viele Monate bei seiner Großmutter
väterlicherseits
in Kassel.
Seine
Mutter gehörte zum Kreis jener deutschen Juden, die auch nach
der
Machtergreifung der Nationalsozialisten und der beginnenden
Judenverfolgung
in Deutschland ausharren wollten, da sie -
leider zu Unrecht -
hofften, die sittliche Substanz der deutschen Kultur werde Schlimmeres
als die anfänglichen Zurücksetzungen und
Benachteiligungen
nicht
zulassen. Erst nach dem Reichspogrom im November 1938 willigte sie ein,
daß ihr damals noch minderjähriger Sohn nach
Palästina
auswandern durfte. 1939 folgte sie auf dem letzten Schiff mit
jüdischen
Emigranten.
Nach
dem Abitur schloß sich Rafael Rosenzweig der Kibbuzbewegung
an
und
steckte seine ganze Kraft in die landwirtschaftliche Aufbauarbeit des
Kibbuz
Schaar Hagolan. Von 1944 bis 1946 war er Soldat in der
jüdischen
Brigade
der British Army. So kam er nach 1945 wieder zum ersten Mal in die
zerstörten
deutschen Städte Frankfurt a.M. und Kassel zurück und
mußte
erfahren, daß viele seiner Verwandten und Freunde ermordet
worden
waren.
1954
wurde er von seinem Kibbuz zum Studium der Nationalökonomie
freigestellt.
Er schloß dieses Studium mit dem Diplom der London School of
Economics
ab. 1963 wurde er zum Leiter der Ausbildungsabteilung für
Experten
in der Entwicklungshilfe des israelischen Landwirtschaftsministeriums
und
1966 schließlich zum Senior Economic Advisor im Büro
des
landwirtschaftlichen
Attachés der U.S. Botschaft in Tel Aviv berufen. Seit seiner
Pensionierung
im Jahre 1987 konnte sich Rafael Rosenzweig verstärkt wieder
wissenschaftlichen
Arbeiten zuwenden.
Nach
seinem Eröffnungsvortrag „Deutscher und Jude. Franz
Rosenzweigs
Weg
zum jüdischen Volk“ 1986 auf dem
Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß lud
die damalige Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und
Kunst,
Frau Dr. Vera Rüdiger, unterstützt vom damaligen
Präsidenten
der Universität Gesamthochschule Kassel, Prof. Dr. Franz
Neumann,
Rafael Rosenzweig zu einem Gastsemester nach Kassel ein. Dieser
Einladung
wollte Rafael Rosenzweig jedoch nicht gleich nachkommen, da er nicht
bloß
als Sohn seines berühmten Vaters, sondern aufgrund seiner
eigenen
wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten eingeladen werden wollte, die er
nach seiner Pensionierung abschließen wollte.
Bereits
in seinen allerersten wissenschaftlichen Arbeiten als
ökonomischer
Berater in der israelischen Friedensbewegung hatte Rafael Rosenzweig
herausgearbeitet,
daß eine Zukunft für Israel nur in einer
langfristigen
Kooperation
mit den arabischen Nachbarn denkbar sei. Diese frühen Studien
hat
Rafael Rosenzweig nach seiner Pensionierung wieder aufgenommen und
wissenschaftlich
ausgebaut; so in der Studie
The Economic Consequences of Zionism (1989)
und nun in seinem Hauptwerk The Quest for Security (1996),
das rechtzeitig zu Beginn seiner Franz-Rosenzweig-Gastprofessur unter
dem
Titel Das Streben nach Sicherheit zu
Beginn des Jahres 1998 erscheinen konnte.
Auf
Einladung des Fachbereichs
Wirtschaftswissenschaften nahm
Rafael Rosenzweig die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 1998 wahr und trug
dabei in der Hauptvorlesung die Grundzüge seines Buches Das
Streben
nach Sicherheit[24]
vor, weiterhin bot er ein Seminar „Kooperation in Israel,
unter
besonderer
Betonung der Kibbuzbewegung“ an. Darüber hinaus
thematisierte er
in
einer Lehrveranstaltung für Hörer aller
Fakultäten „Die
Folgen der Judenverfolgung für Deutschland“, um
damit auf die
Folgen
einzugehen, die die Zerstörung des Judentums in Europa gerade
auch
für die deutsche Kultur und Geistesgeschichte hat.
Völlig
unerwartet, mitten aus seiner Arbeit gerissen, verstarb Rafael N.
Rosenzweig
am 2. Dezember 2001 in Forch bei Zürich.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
1999
Albert
H. Friedlander PhD DD h. c. OBE
Rabbiner an der Westminster Synagoge
Dekan des Leo Baeck College
Albert H. Friedlander wurde 1927 in Berlin geboren, wo er die ersten zwölf Kindheitsjahre verbrachte. Nach 1933 erfuhren er und seine Geschwister erste Anfeindungen in der Schule und entgingen mehrfach nur knapp schlimmeren Verfolgungen. Der Reichspogrom der „Kristallnacht“ brachte die Eltern endgültig zur Einsicht, die Emigration der Familie zu forcieren. Diese gelang dann auch Anfang 1939 zunächst nach Kuba und schließlich in die USA. In Vicksburg, Mississippi schloß Albert Friedlander seine Schulausbildung ab. Dank der guten intellektuellen und sportlichen Leistungen bekam er ein Stipendium für ein Studium in Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft und Jüdische Studien, das er an der University of Chicago begann, nebenher arbeitete er in allerlei Nebenjobs.
Sein Studium als Rabbiner schloß Albert H. Friedlander 1952 am Hebrew Union College in Cincinnati ab und wurde danach zunächst Rabbiner in Fort Smith, einem kleinen Städtchen in Arkansas. Später wechselte er auf die Stellen des Studentenrabbiners an der Columbia University sowie als Rabbiner in East Hampton, N.Y., um so seine Dissertation Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt ausarbeiten zu können, mit der er 1956 den PhD erwarb. Nach seiner Heirat 1961 mit Evelyn Philipp nahm Albert H. Friedlander 1966 den Ruf als liberaler Rabbiner in London an, wo er ab 1971 in der Westminster Synagoge tätig war und zugleich als Dozent am Leo Baeck College lehrte, dessen Dekan er seit 1982 war.
Die wissenschaftlichen Arbeiten von Albert H. Friedlander lassen sich in drei Schwerpunkte gliedern: Ohne Zweifel ist er der bedeutendste Interpret und auch Nachfolger von Leo Baeck, der großen Leitfigur des liberalen Judentums in Deutschland. Leo Baeck hat das Leid der deutschen Juden bis in die schwerste Zeit der Verfolgung hinein mitgetragen: er überlebte im KZ-Theresienstadt. Trotz dieser Leidenszeit gehörte Leo Baeck nach dem Krieg zu den ersten, die den christlich-jüdischen Dialog in Deutschland wiedereröffneten. Albert H. Friedlander hat mit seinem Buch Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt (1968; dt. 2. Aufl. 1991) und mit der Leo-Baeck-Werkausgabe in sechs Bänden Leben und Werk dieses bedeutenden deutsch-jüdischen Denkers bleibend erschlossen. Ein zweites Thema kreist um die geschichtliche und religionsphilosophische Aufarbeitung der Shoah. Hier sind vor allem die Bücher Out of the Whirlwind: The Literature of the Holocaust (1968, 1996), Das Ende der Nacht: Jüdische und christliche Denker nach der Shoah (1995)[25] und zusammen mit Elie Wiesel The Six Days of Destruction (1988) zu nennen. Albert H. Friedlander geht es dabei um die gedankliche Besinnung und Bewältigung der Erfahrung unserer jüngsten Geschichte, damit eine Shoah in Europa nicht mehr möglich werden kann. Hieran knüpfen drittens Friedlanders Bemühungen um den christlich-jüdischen Dialog an. Seit 1979 ist er als jüdischer Dialogpartner auf allen Kirchentagen in Deutschland, aber auch im Dialog mit der Anglikanischen Kirche in England aktiv. Hierzu seien vor allem die Bücher Ein Streifen Gold (1989; engl. 1991) sowie Riders Toward the Dawn: from Pessimism to Tempered Optimism (1993) erwähnt. Für sein Engagement auf dem Gebiet des christlich-jüdischen Dialogs erhielt er sowohl vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland als auch von der Queen den Orden Officer of the Royal Order of the British Empire (OBE). Im Jahre 1997 war er Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin und neben vielen anderen Gastprofessuren zweimal auch Martin-Buber-Gastprofessor an der Universität in Frankfurt a.M.
Die Vorlesungen und Seminare von Albert H. Friedlander zu Leben und Werk von Leo Baeck sowie zur literarischen Aufarbeitung des Holocaust und zum christlich-jüdischen Dialog haben alle Teilnehmer tief beeindruckt und nachhaltig geprägt. Als langjähriger Freund der Kasseler Rosenzweig-Forschung seit dem ersten Franz-Rosenzweig-Kongreß 1986 sprach Rabbiner Albert H. Friedlander auf dem zweiten Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß 2004 die Dankesworte beim Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt Kassel. Drei Monate später verstarb Rabbiner Albert H. Friedlander am 6. Juli 2004, mitten aus seinen vielfältigen Arbeiten herausgerissen, an plötzlichem Herzversagen.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2000
Kurt
Rudolf Fischer PhD
ehem.
Professor für Philosophie University of Pennsylvania at
Millersvill,
Honorarprofessor an der Universität Wien
Kurt Rudolf Fischer wurde 1922 in Wien geboren und besuchte dort das Realgymnasium und die Textilschule bis zur vorletzten Klasse. Nach dem Anschluß Österreichs ans Deutsche Reich floh er zunächst zu Verwandten nach Brünn, wo er weiter die Textilschule besuchte, jedoch bald von den Deutschen Truppen, die die Tschechoslowakei besetzten, eingeholt wurde. Als bereits alle Grenzen für jüdische Flüchtlinge nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gesperrt waren, erhielten seine Eltern und er die Ausreisegenehmigung nach Shanghai, dem allerletzten Zufluchtsort, der noch Flüchtlinge aufnahm. In Shanghai schlug er sich mit allerlei Jobs durch – unter anderem als Übersetzer, Nachtwächter und Boxer.
An der dortigen St. John´s University konnte er nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium aufnehmen. Mittellos, aber mit guten Studienleistungen erhielt er 1949 eine Einreisebewilligung in die USA, wo er an der University of California in Berkeley seine Studien fortsetzte und zunächst mit dem Master of Arts in Germanistik (1952) und dann noch mit dem PhD in Philosophie (1964) abschloß. Nach mehreren Stellen als Teaching Assistent, Lecturer in Philosophy in Berkeley und Assistant Professor in Harvard und Chicago wurde er 1967 als Full Professor an die University of Pennsylvania in Millersvill berufen, wo er auch über zehn Jahre Chairman of the Department of Philosophy war. Einladungen nach Wien führten schließlich dazu, daß er ganz in seine Geburtsstadt zurückkehrte, wo er heute noch an der Universität als Honorarprofessor Philosophie lehrt.
In den USA arbeitete er vor allem die europäischen Wurzeln der amerikanischen Philosophie heraus und verfolgte die analytische Philosophie in ihrer Entwicklungsgeschichte. Mit seiner Monographie Franz Brentano´s Philosophy of Evidenz (1964) führte er in den Vereinigten Staaten die Diskussion über die historischen Quellen der Phänomenologie Edmund Husserls und der Gegenstandstheorie Alexius von Meinongs ein. Beide waren sie schulebildende Schüler von Franz Brentano, der selber – obwohl der bedeutendste und einflußreichste Philosoph in Österreich um die Jahrhundertwende – als Strafmaßnahme von Kaiser und katholischer Kirche an der Universität Wien fünfzehn Jahre lang nur als Privatdozent lehren durfte, bevor er dann 1895 Wien im Zorn verließ. Kurt Rudolf Fischer hat sich in den USA aber auch zu der von Walter Kaufmann eröffneten Auseinandersetzung über Friedrich Nietzsche und seinen philosophischen Einfluß auf die verschiedenen im 20. Jahrhundert aufbrechenden Bewegungen geäußert, die kontrovers diskutiert wurden. Sie erschienen in deutscher Sprache unter dem Titel Nietzsche und das 20. Jahrhundert. Existentialismus – Nationalsozialismus – Psychoanalyse – Wiener Kreis (1986).
Nachdem Kurt Rudolf Fischer als entpflichteter Professor in seine Geburtsstadt Wien zurückgekehrt war und an der Wiener Universität als Honorarprofessor tätig wurde, brachte er eine Reihe von wichtigen Arbeiten zur angloamerikanischen Philosophie und ihren österreichischen Quellen heraus – siehe hierzu die Arbeiten: Philosophie aus Wien (1991), Aufsätze zur angloamerikanischen und österreichischen Philosophie (1999) sowie die Edition Das goldene Zeitalter der österreichischen Philosophie (1995, 1999). Ein weiteres Thema seiner Forschungen stellt der Nationalsozialismus dar – in einer mit Franz Wimmer herausgegebenen Edition Der geistige Anschluß. Philosophie und Politik an der Universität Wien (1993) erschloß er die erste öffentlich geführte Debatte über die Wiener Universität in der Zeit des Nationalsozialismus.
In Kassel war Prof. Kurt Rudolf Fischer bereits früher schon zu Gastvorträgen eingeladen: Einmal 1982 im Zusammenhang mit der Gastprofessur seines Freundes Paul Feyerabend und zum anderen 1991 als einer der Hauptvortragenden des großen, an der Universität Kassel durchgeführten Kongresses: Die Wiener Jahrhundertwende[26]. Die Lehrveranstaltungen, die Prof. Kurt Rudolf Fischer in seinem Franz-Rosenzweig Gastsemester anbot, entstammten alle den oben angeführten Themenkomplexen: „Auschwitz als philosophisches Problem“, „Das Goldene Zeitalter der österreichischen Philosophie – Von Franz Brentano zum Wiener Kreis“ und „Einführung in die angloamerikanische Philosophie des 20. Jahrhunderts“.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2001
Gerda
Elata-Alster PhD
em.
Professorin für Literaturwissenschaft
Ben Gurion Universität in Beer Sheva
Gerda Thau wurde als die Älteste von drei Geschwistern 1930 in Wien geboren. In Wien wurde sie noch eingeschult. Nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich 1938 emigrierte der Vater – um Schlimmerem zu entgehen – nach Holland und holte die Familie Ende 1938 nach. Hier kam Gerda nach mehreren Umzügen und Schulwechseln in eine jüdische Schule in Haag. Bereits in Kindheitsjahren lernte sie in mehreren Sprachen zugleich zu Hause zu sein: Deutsch, Niederländisch und Jiddisch, das sie mit ihrer Großmutter sprach. Nach der Okkupation Hollands durch die deutschen Truppen mußte die Familie erneut mehrfach den Wohnort wechseln und verbarg sich schließlich unter falscher Identität, der Sekte der Karaïten angehörend, in Hilversum. So blieb die ganze Familie wie durch ein Wunder von Verfolgung, Deportation und Ermordung verschont. Nach der Befreiung stellte sich heraus, daß ihre Nachbarn sehr wohl von dieser Tarnung wußten, den Deutschen aber nichts davon verrieten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schloß Gerda Thau 1948 das altsprachliche Lyzeum ab und nahm nebenher – wie ihre Geschwister – Privatstunden in Hebräisch. 1952 heiratete sie Mordechai Alster, gemeinsam wollten sie nach Israel auswandern, aber zunächst hatte ihr Mann das Geschäft seines Vaters zu übernehmen, so kamen ihre drei Kinder in Holland zur Welt. In dieser Zeit schloß Gerda Alster auch ihr Studium in semitischer Philologie an der Universität Amsterdam ab und war zeitweise als Dozentin für Hebräisch an mehreren niederländischen Universitäten tätig. Erst als ihr Mann an Krebs erkrankte, entschlossen sie sich 1964 nach Israel zu reisen. Mordechai Alster verstarb dort 1965 und Gerda Alster blieb mit den Kindern dauerhaft in Israel. An der Bar Ilan Universität in Ramat Gan bekam sie eine Stelle als Lecturer für Allgemeine und Hebräische Literaturwissenschaft. 1973 heiratete sie in zweiter Ehe Chaim Elata, der als Professor für Ingenieurwissenschaft an der Ben Gurion Universität in Beer Sheva tätig war und später Präsident der dortigen Universität wurde. Gerda Elata-Alster erwarb 1981 den PhD an der Bar Ilan Universität und hatte danach verschiedene Stellen als Senior Lecturer und als Gastprofessorin an mehreren Universitäten in England und den USA inne, bevor sie 1989 für Fremdsprachige Literatur und Linguistik an die Ben Gurion Universität in Beer Sheva berufen wurde.
Die Forschungen von Gerda Elata-Alster bewegen sich weit über die engeren Grenzen der Sprach- und Literaturwissenschaft hinaus, sie beziehen religionswissenschaftliche, philosophische, psychoanalytische und literaturtheoretische Fragestellungen grundlegend mit ein. Eine besondere Eigenart ihrer Forschungsmethode ist die Verknüpfung der Hermeneutik mit der aus der Tradition des Midrash gewonnenen Kunst auslegender Wiedererzählung. Hiervon zeugen ihre Arbeiten: Vertical and Horizontal Readings of the Biblical Text (1988), The Deconstruction of Genre in the Book of Jonah (1989), Biblical Covenants as Performative Language (1993), From Black Hole to Miracle: Auschwitz as the Postmodern “Condition” (1996) sowie The Book Was Given to Be Questioned (2001). Was die Literatur im engeren Sinne betrifft, so bezeugen ihre Publikationen eine enorme Spannweite von der griechischen Literatur und Tragödie, mit der sich ihre Dissertation befaßt, über die italienische Renaissance bis hin zur heutigen hebräischen und europäischen Gegenwartsliteratur.
Prof. Gerda Gerda Elata-Alster, die bereits auf dem ersten Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß zusammen mit Prof. Benyamin Maoz über Rosenzweigs Schriften aus psychoanalytischer Sicht vortrug, stellte in ihrer Vorlesung – einem geplanten Buch Talk of the Town: Jewish Attitudes to Civic Discourse[27] vorgreifend – mit Rückgriffen auf literarische Vorlagen den politisch-kulturellen Riß in der modernen israelischen Gesellschaft dar. In ihren ebenfalls gut besuchten Seminaren behandelte sie jüdische Traditionen des Auslegens biblischer und literarischer Texte sowie die literarische Bearbeitung der Gestalt von Amalek, einer biblischen Erinnerungsfigur des Feindes Israels und des Bösen, wobei Gerda Elata-Alster auch hier wiederum bis zu psychoanalytischen Fragestellungen und Deutungen vorstieß.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2002 (1) |
Dr.
Feliks Tych
em. Professor am Institut für Geschichte an der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Direktor des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau
Feliks Tych wurde 1929 als neuntes Kind der Familie in Warschau geboren. Bis zum Kriegsausbruch besuchte er die polnische Volksschule in Radomsko in der Nähe der deutschen Grenze, wo der Vater eine kleine Metallfabrik besaß. Der Historische Marktplatz dieser kleinen Stadt wurde bereits am zweiten Tag des deutschen Überfalls aus der Luft zerstört, und am nächsten Tag rückten die deutschen Truppen ein. Hier wurde noch im Dezember 1939 eines der ersten Ghettos des Generalgouvernements für die besetzten polnischen Gebiete errichtet. Im Sommer 1942 verdichteten sich die Anzeichen einer bevorstehenden „Aktion“ gegen die Bewohner des Ghettos. Vorsorglich entschieden sich die Eltern, Feliks heimlich zu einem polnischen Bekannten fliehen zu lassen, der bereit war, ihn zu seiner im Untergrund in Warschau lebenden, verheirateten Schwester zu bringen. Die Flucht gelang und Feliks wurde von seiner Schwester in Warschau an eine polnische Gymnasiallehrerin weitergereicht, die es auf sich nahm, ihn mit gefälschten Papieren als verwaisten Neffen neben ihren beiden eigenen Kindern aufzuziehen. Alle Beteiligten dieser Rettungsaktion wußten, was ihnen blühte, wenn sie aufgeflogen wären. Feliks Tych überlebte die deutsche Okkupation in seiner Pflegefamilie, bei der er auch in der Nachkriegszeit bleiben konnte, denn seine Eltern waren im Vernichtungslager Treblinka ermordet worden.
Nach Beendigung des Gymnasiums 1948 begann Feliks Tych ein Studium der Geschichte an der Universität Warschau, das er 1952 mit einer Magisterarbeit über die Anfänge der polnischen Arbeiterbewegung abschloß. Aufgrund der Qualität seiner Arbeit erhielt er ein Stipendium für ein weiterführendes Studium an der Lomonossow-Universität in Moskau. Dort erwarb er 1955 den Doktorgrad mit einer Dissertation über die Revolution von 1905 bis 1907 im Königreich Polen, die in einer erweiterten polnischen Fassung als Buch veröffentlicht wurde. Aufgrund dieser Qualifikationen erhielt Felks Tych wissenschaftliche Mitarbeiterstellen sowohl am Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften als auch am Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung beim ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVA). 1957 gründete er die erste polnische Zeitschrift für Sozialgeschichte, deren Chefredakteur er jahrelang war. 1970 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1982 zum ordentlichen Professor für Geschichtswissenschaft ernannt. Bei den 1968 einsetzenden Säuberungswellen, die auch eine antisemitische Stoßrichtung hatten, wurden Feliks Tych und ebenso auch seine Frau Lucyna, geb. Berman als Theaterregisseurin aus ihren Anstellungen gedrängt. Von 1971 bis 1987 wurde Prof. Feliks Tych im Zentralen Historischen Archiv beim ZK der PVA mit der Aufgabe der Leitung der Abteilung für Quelleneditionen und Bibliographie betraut, wo er seit 1973 die Reihe Archiv der Arbeiterbewegung herausgab. Doch auch hier wurde er aus politischen Gründen 1987 vorzeitig pensioniert, seither organisiert er seine historischen Forschungsprojekte auf privater Basis.
Nach 1990 nahm er mehrfach Gastprofessuren an verschiedenen deutschen Universitäten wahr. Für seine Arbeiten zur Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung erhielt Prof. Tych 1990 den Österreichischen Victor-Adler-Staatspreis. Mehr und mehr treten nun auch die historische Aufarbeitung des Holocaust und Untersuchungen über die Folgewirkungen für die osteuropäischen Länder ins Zentrum seiner Forschungen – siehe hierzu sein Buch in polnischer Sprache: Der lange Schatten des Holocaust (1999). 1996 wurde er Direktor des Jüdisch Historischen Instituts in Warschau, das er neu aufbaute. Unter seiner Betreuung konnten inzwischen wertvolle Bestände aufgearbeitet und ediert werden, so beispielsweise das Ringelblum-Archiv aus dem Warschauer Ghetto. Aufgrund seiner vielfältigen Verpflichtungen konnte Prof. Dr. Feliks Tych die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2002 nur für zwei Monate annehmen. Trotz dieser verknappten Zeitspanne gelang es ihm in seinen Veranstaltungen eindrucksvoll, den Studierenden einen Einblick in die Geschichte der Juden Osteuropas, in das Ausmaß des Holocausts sowie in die verheerenden moralischen und kulturellen Folgewirkungen in den osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften zu vermitteln, von denen sie bisher keine Kenntnisse hatten.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2002 (2) |
Ze´ev
em. Prof. für Philosophie und Jüdisches Denken
Universität Haifa
Ze´ev Levy wurde 1921 in Dresden geboren. Väterlicherseits stammte seine Familie aus Hamburg, wohin sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Amsterdam gekommen war, mütterlicherseits seit mehreren Generationen aus der Gegend von Braunschweig. Ein Jahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte die Familie – die Eltern und zwei Kinder – im Februar 1934 nach Palästina, wohin ihnen dann auch die väterlichen Großeltern folgten. Der mütterliche Großvater starb im Lager Theresienstadt. Nach Beendigung der Schule in Tel-Aviv und einem halben Jahr als Druckereiarbeiter schloß sich Ze´ev Levy 1939 dem Kibbuz Cheftzi-bah an, wo er sich mit landwirtschaftlicher Arbeit, hauptsächlich der Schaf- und Ziegenzucht, betätigte. Aber nebenher interessierten ihn Bücher und vor allem philosophische Abhandlungen, die er mit Leidenschaft verschlang. Von 1946 bis 1948 wurde er durch die Kibbuzbewegung als Schaliach (Gesandter) für Jugenderziehung nach Europa geschickt. Ende 1961 siedelte er mit seiner Frau und seinen Kinder in den Kibbuz Hama´apil über, wo er bis heute lebt.
1963 begann Ze´ev Levy im Seminar der Kibbuzbewegung Haschomer Hatzair in Giv´at Haviva philosophische Seminare zu leiten. Diese Aufgabe faszinierte ihn so sehr, daß er – inzwischen 43jährig – beschloß, ein formales Studium der Philosophie aufzunehmen. 1969 schloß er sein Philosophiestudium an der Universität in Tel Aviv mit einer Magisterarbeit über Franz Rosenzweig ab – Franz Rosenzweig: Ein Vorläufer des jüdischen Existentialismus (hebr.), der ersten Arbeit über Rosenzweig in Israel – und fügte dem noch ein postgraduales Studium an der Hebrew University in Jerusalem an, das er 1973 mit einer Dissertation Structuralism – between Method and Theory abschloß.
Von
1972 bis 1974 lehrte Ze´ev Levy Philosophie an der
Universität
Tel Aviv und von 1973 bis zu seiner Emeritierung 1989 –
zuletzt als
Professor
(Ordinarius) – Philosophie und Jüdisches Denken an
der
Universität
Haifa. Nebenher unterrichtete er zwei Jahre an der Universität
Bar-Ilan
in Ramat Ganund fünf Jahre an der akademischen
Sektion des Lehrerseminars der Kibbuz-Bewegung in Oranim. 1983 und
1990-1991
war er Gastprofessor an der Universität Heidelberg und der ihr
angeschlossenen
Hochschule für Jüdische Studien und 1987 Visiting
Professor
an
der State University of New York in Binghamton und am Queens College in
New York.
Levys Arbeitsgebiete umfassen einerseits die jüdische Philosophie der Neuzeit, mit besonderer Betonung von Spinoza, Mendelssohn, Nachman, Krochmal, Cohen, Buber, Rosenzweig und Lévinas sowie andererseits Hermeneutik und Ethik sowohl aus allgemeiner als auch aus jüdischer Sicht. Seine Bücher, die auch in englischer und deutscher Sprache vorliegen: Probleme moderner jüdischer Hermeneutik und Ethik (1997) sowie Baruch Spinoza: Seine Aufnahme durch die jüdischen Denker in Deutschland (2001), genießen auch in Deutschland und Amerika hohes Ansehen. Ze´ev Levy hat 14 Bücher auf Hebräisch, Englisch und Deutsch veröffentlicht sowie mehrere wissenschaftliche Bücher zu den genannten Forschungsfeldern ediert. Jüngst veröffentlichte Ze´ev Levy gemeinsam mit seinem Sohn, dem Zoologen Nadav Levy, das Buch Ethics, Emotions and Animals (2002), das sich besonders auch mit Fragen von Tierethik befaßt.
Prof. Ze´ev Levy, der bereits 1986 auf dem Internationalen Franz-Rosenzweig-Kongreß vortrug, war von uns bereits zweimal in den 90er Jahren zur Wahrnehmung der Franz-Rosenzweig-Gastprofessur eingeladen worden, beide Male mußte er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau bzw. ihrem erst kurz zurückliegenden Tod absagen. Als sich im April 2002 kurzfristig ergab, daß Prof. Dr. Zygmunt Bauman, der die Wahrnehmung der Franz-Rosenzweig-Gastprofessur für einen Monat im Sommersemester 2002 zugesagt hatte, wegen einer Erkrankung seiner Frau sein Kommen absagen mußte, fragten wir erneut bei Prof. Ze´ev Levy an, ob er zu einem verkürzten, aber komprimierten Gastaufenthalt in Kassel bereit sei. Zu unserer großen Freude konnte er diesmal – auch von seinen Kindern darin bestärkt – kurz entschlossen zusagen. Er bot in diesen vier Wochen zwei Vorlesungen mit begleitenden Kolloquien zu Baruch Spinoza und seiner Rezeption sowie zur Hermeneutik und Ethik aus jüdischer Perspektive an.
Prof. Ze´ev Levy verstarb am 16.3.2010.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2003
Chaim
Schatzker PhD
em. Prof. für Geschichtswissenschaft der Erziehung
Universität Haifa
Karl
Schatzker wurde 1928 in Lemberg (Lwow) in Polen geboren. 1931 zog seine
Mutter mit ihm nach Wien, wo er von 1934 bis 1938 zunächst die
Volkschule
und kurz noch das Chajes-Realgymnasium besuchte. Nach dem
Anschluß
Österreichs an das Deutsche Reich schien, da die Familie nicht
begütert
war, zunächst keine Möglichkeit der Flucht zu
bestehen. Im
November
1939 gelang es der Mutter, sich mit ihm einem illegalen Transport
anzuschließen,
der sie auf Schiffen über Ungarn, Jugoslawien und
Rumänien
übers
Schwarze Meer bis nach Palästina bringen sollte. Doch blieben
die
Schiffe im Winter in Jugoslawien im Eis stecken, mußten bei
Kladovo
anlegen und bekamen keine Erlaubnis zur Weiterfahrt. Mehr als tausend
Flüchtlinge mußten über ein Jahr auf den
Schiffen und
später
wenigstens die Frauen und Kinder in Lagern auf dem Land auf ihr
Schicksal
warten. Wenige Tage vor der Invasion der deutschen Truppen in
Jugoslawien
bekamen die 200 Kinder die Erlaubnis, auf dem Landweg über
Griechenland,
die Türkei, Syrien und den Libanon nach Palästina
auszureisen,
wo der Kindertransport Ende April 1941 ankam. Die in Kladovo
Zurückgebliebenen
– darunter auch die Mutter von Karl Schatzker wurden von den
einrückenden
Deutschen ermordet.
Ohne
alle Verwandte in Palästina wurde Chaim Schatzker
zunächst in
einem Kinderdorf untergebracht, absolvierte ein Gymnasium und wurde
dann
im Befreiungskrieg zum Militärdienst eingezogen. Danach
studierte
er an der Hebrew University in Jerusalem Geschichte und
Erziehungswissenschaft
und schloß diese Studien – nachdem er vorher schon
als Teacher an
einer High School und als Lecturer an der Universität
Haifa tätig war – 1969 an der Hebrew University in
Jerusalem mit
dem
PhD ab.
Schon während seiner Tätigkeit als Senior Lecturer an der Hebrew University in Jerusalem konzentrierten sich seine Forschungen auf die Holocaust-Studien sowie auf die Frage der Vermittlung des Holocaust in den Schulen. 1981 wurde Chaim Schatzker in die israelische Delegation der Deutsch-Israelischen Lehrbuchkommission berufen. Nach weiteren Forschungsaufenthalten und Gastprofessuren in Duisburg und Heidelberg bekam er 1984 einen Ruf auf die ordentliche Professur für moderne jüdische Geschichte an der Universität Haifa und wurde Direktor des dortigen Strochlitz Chair for Holocaust Studies. 1989 wurde er Head of the Department für Jüdische Geschichte an der Universität Haifa. Gastprofessuren in Heidelberg und Dresden schlossen sich an. 1997 wurde Prof. Chaim Schatzker emeritiert, aber blieb weiterhin als israelisches Mitglied im Beirat verschiedener deutscher Gedenkstätten, so beispielsweise für die KZ-Ausstellung in Dachau.
Die Forschungsschwerpunkte von Chaim Schatzker lassen sich deutlich an seinen Hauptwerken ablesen, von denen viele in deutscher Sprache erschienen sind: Zur Bildungs- und Sozialgeschichte in Deutschland erschien sein Buch Jüdische Jugend im zweiten Kaiserreich 1870 – 1917 (1988) sowie die Abhandlung „Die jüdische Jugendbewegung in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen“ (1974). Zum Holocaust als Gegenstand politischer und historischer Bildung gab er gemeinsam mit Yisrael Gutman den Textband The Holocaust and its Significance (1984) heraus und verfaßte zusammen mit Dieter Schmidt-Sinns das Buch Judentum und Israel in der politischen Bildung (2000). Zum Bild der Juden in deutschen Geschichtsbüchern legte Chaim Schatzker die Untersuchungen Jüdische Geschichte in deutschen Geschichtsbüchern (1963), Die Juden in den deutschen Geschichtsbüchern (1981) sowie Juden, Judentum und Staat Israel in den Geschichtsbüchern der DDR (1994) vor. Zum Bild von Deutschland in israelischen Geschichtsbüchern erschien sein Buch Das Deutschlandbild in israelischen Geschichtsbüchern (1979) sowie neben vielen anderen seine Abhandlung „Der Holocaust im israelischen Geschichtsunterricht“ (1995).
An der Universität Kassel bot Prof. Chaim Schatzker eine Vorlesung zur neueren jüdischen Geschichte sowie zwei Seminare zur jüdischen Jugend in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert und zu Juden, Judentum und Israel in den Geschichtsbüchern der Bundesrepublik Deutschland an, die von den Studierenden mit bemerkenswertem Interesse und aktiven Eifer besucht wurden.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2004
Dr.
Mihály Vajda
Prof. für Philosophie an der Kossuth Lajos Universität in Debrecen
Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
Mihály Vajda wurde 1935 in Budapest geboren. Er war 9 Jahre alt als die deutschen Truppen Ungarn im März 1944 besetzten. Während in ganz Ungarn im Laufe des Jahres 1944 nahezu 400.000 Juden zusammengetrieben, nach Auschwitz abtransportiert und dort ermordet wurden, überlebte die Mehrheit der Budapester Juden den Holocaust, da sie wegen der Umzingelung von Budapest durch die Russen nicht mehr abtransportiert werden konnten. Zwar waren sie auch hier der Willkür und den Schikanen der ungarischen Pfeilkreuzler ausgeliefert, vor allem nachdem diese ab Oktober 1944 die Regierung bildeten, aber die Familie Vajda überlebte mit mehreren tausend anderen jüdischer Familien die letzten Kriegsmonate in Budapest und der Einmarsch der Russen wurde von ihnen unbeschränkt als Befreiung erlebt.
Mihály Vajda schloß sich schon als Jugendlicher der kommunistischen Bewegung an und es dauerte lange und bedurfte vieler Ausgrenzungen und Zurücksetzungen, bis er endgültig von dieser Ideologie Abschied nahm. Nach Abschluß der achtjährigen allgemeinen Schule trat er in ein technisches Gymnasium ein, um Chemie zu studieren und baldmöglichst zum Unterhalt der verarmten Familie beitragen zu können. Von dort wechselte er aber zum Studium des Marxismus und – als ihm erste Zweifel kamen, es war das Jahr nach Stalins Tod – zur Philosophie. Hier fand er gute philosophische Lehrer, die überzeugte Marxisten waren, aber in Gegnerschaft zur Staatsideologie standen. Aus dieser Sicht verstand der junge Vajda auch die ungarische Revolution von 1956 als einen Befreiungsversuch zu einem wahren Sozialismus. Nach ihrer Niederschlagung schloß er sich nur noch dichter an die sog. „Budapester Schule“ um Georg Lukács an, zu der neben anderen Agnes Heller, Ferenc Fehér und György Márkus gehörten. 1958 schloß er sein Philosophiestudium mit einem ersten Diplom ab. Da er als „Revisionist“ keine wissenschaftliche Anstellung bekommen konnte, wurde er Lehrer an einer Budapester Schule. Erst nach den Liberalisierungen in den 60er Jahren bekam er eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und konnte sich so auf seine geplante Dissertation zur Philosophie von Edmund Husserl konzentrieren, die unter dem Titel Wissenschaft „in Klammern“ 1968 erschien. Schon ein Jahr später erschien auch noch seine zweite Arbeit zu Husserl und Scheler An der Grenze von Mythos und Ratio (1969).
1973 verloren die Mitglieder der sog. Budapester Schule als ideologische Abweichler ihre Stellen und bekamen Publikationsverbot. Schon die von Vajda 1970 geschriebene Studie über den Faschismus konnte in Ungarn nicht mehr erscheinen, da sie als eine verkappte Kritik am kommunistischen Regime gelesen wurde, sie erschien 1976 in englischer und 1979 in französischer Sprache. Einige der Mitglieder der Gruppe verließen Ungarn ganz, auch Mihály Vajda nahm das Angebot einer zweijährigen Gastprofessur an der Universität Bremen wahr, in dieser Zeit war er auch erstmals zu einem Gastvortrag nach Kassel eingeladen. Weitere Gastaufenthalte an der New School for Social Research in New York, an der Trent University in Peterborough, Canada und der Universität Gesamthochschule Siegen schlossen sich an. In den 80er Jahren gab Mihály Vajda seine Bindungen an den Marxismus ganz auf – seine Abrechnung mit dieser Ideologie legte er in seinen Büchern Russischer Sozialismus in Mitteleuropa (1989, dt. 1992) und Frei nach Marx (1990) nieder. 1989 wurde er in Ungarn offiziell rehabilitiert und auf den Lehrstuhl für Philosophie der Kossuth Lajos Universität in Debrecen berufen, wo er von 1996 bis 2000 Direktor des Instituts für Philosophie war.
Nach Jahren der Suche fand er in den 90er Jahren über erneute phänomenologische Studien einen neuen Zugang zur Existenzphilosophie Heideggers – Studien hierzu erschienen in deutscher Sprache unter dem Titel Die Krise der Kulturkritik (1996). In jüngster Zeit hat sich Prof. Mihály Vajda historisch wie kulturgeschichtlich intensiver mit dem Judentum in Osteuropa und den Folgen der Shoah auseinandergesetzt – dies thematisierte er in seinem Seminar „Die Rolle der Juden in Mitteleuropa bis zu ihrer Vernichtung“. Die Vorlesung und ein weiteres Seminar griffen Themen aus seinem jüngsten Buch auf.[28]
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2005
Dr. Michael
Löwy
Directeur
de recherche (1ère classe)
Centre National de Recherche Scientifique (CNRS) Paris
Michael
Löwy wurde 1938 in Sao Paulo, Brasilien geboren. Seine Eltern
waren
1934 aus wirtschaftlichen und politischen Gründen im
austro-faschistischen
Österreich von Wien nach Brasilien ausgewandert, dabei spielte
auch
ihre richtige Einschätzung der Gefahr des von Deutschland aus
expandierenden
Nationalsozialismus eine entscheidende Rolle. Weitere
Familienangehörige
– wie die Großeltern und die Geschwister der Eltern
– flohen nach
dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich
ebenfalls
nach
Brasilien, so daß die ganze weitere Familie der Shoah in
Europa
entging.
Michael
Löwy wuchs in Brasilien auf, besuchte in Sao Paulo die Schule
und
schloß hier auch sein Studium der Sozialwissenschaften an der
Universität
Sao Paulo mit dem Magister ab. 1961 bekam er ein Stipendium, um seine
Studien
an der Universität in Paris fortzusetzen. Unter der Betreuung
von
Prof. Lucien Goldmann schloß er 1964 seine Promotion mit der
Arbeit
La théorie de la revolution chez le jeune Marx ab. Nach dem
Unfalltod
des Vaters war seine Mutter zu ihrem älteren Sohn nach Israel
übersiedelt,
wohin Michael Löwy nach der Promotion ebenfalls zog. Hier
arbeitete
er zunächst an den Universitäten in Haifa und
Jerusalem bis
er
an der Universität Tel Aviv eine Stelle als Lecturer bekam,
die er
bis 1968 innehatte. Eine Einladung von Prof. Peter Worsley
ermöglichte
es ihm, für ein Studienjahr an der Universität in
Manchester
Soziologie zu lehren. Danach kehrte Michael Löwy nach Paris
zurück,
wo er als Assistent von Nikos Poulantzas an der Universität
Paris
VIII auf dem Campus Vincennes unterrichtete. Nun konnte er an die
Ausarbeitung
seiner Habilitation zur politischen Entwicklung des jungen
Lukács
gehen. Dazu wurden Forschungsaufenthalte in Budapest erforderlich, wo
er
auch mit der sog. „Budapester Schule“ –
Agnes Heller, Ferenc
Fehér,
Mihály Vajda, György Márkus –
zusammentraf, die ihm
bei der Sichtung des Archiv-Materials behilflich waren. Auch Ernst
Bloch
konnte er noch über dessen Freundschaft mit Georg
Lukács
1974
in Tübingen interviewen. 1975 wurde
seine Habilitationsschrift fertig, sie erschien unter dem Titel Pour
une sociologie des intellectuels révolutionaires.
L´évolution
politique des György Lukács 1909–1929.
Seit 1977 ist Michael Löwy mit eigenen Forschungsprojekten am Centre national de Recherche Scientifique (CNRS) tätig, wobei sich sein Forschungsschwerpunkt mehr und mehr auf die Soziologie der Religion verlagerte. Die wichtigste Veröffentlichung auf diesem Gebiet ist sein auch ins Deutsche übersetztes Buch Erlösung und Utopie. Jüdischer Messianismus und libertäres Denken (1988; dt. 1997)[29], die Michael Löwy international bekannt machte. Er geht darin der Entstehung religiöser und a-religiöser Eschatologien und geschichtsphilosophischer Utopien nach, arbeitet deren gemeinsame Herkunft aus dem jüdischen Messianismus und die Differenzen ihrer Befreiungsperspektiven heraus. Weitere große Arbeiten in dieser Richtung folgten: so gemeinsam mit Robert Sayre das Buch Revolte et Melancolie. Le romantisme à contrecourant de la modernité (1992) sowie die Forschungsarbeit The War of Gods. Religion and Politics in Latin America (1996), in der Michael Löwy den verschiedenen Wurzeln der Theologie der Befreiung in Lateinamerika nachgeht. Auch hier arbeitet Michael Löwy die Nähe zwischen Walter Benjamin und Ernst Bloch einerseits sowie Gustavo Gutierrez andererseits heraus.
Gerade diese Rückverweise veranlassten ihn, sich in jüngster Zeit nochmals intensiver mit der jüdisch-deutschen Kultur im frühen 20. Jahrhundert auseinander zu setzen, dabei spielt die Verbindung des jüdischen Messianismus mit den politisch-geschichtsphilosophischen Visionen, wie sie besonders von Walter Benjamin gezogen wurde, eine grundlegende Rolle, wie Michael Löwy in seinem Buch Walter Benjamin: avertissement d´incendie. Une lecture des thèses „sur le concept d´histoire“ (2001) aufzeigt. Eine deutsche Übersetzung dieses Buches ist in Vorbereitung, an ihr orientierte Michael Löwy seine Hauptvorlesung in Kassel. Weitere Themen seiner Seminare waren zum einen Franz Kafkas Judentum: die Religion der Freiheit sowie zum anderen die Romantischen Strömungen im Werk von Karl Marx.
Die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur an der Universität Kassel wird auch über das Jahr 2005 hinaus fortgesetzt, allerdings nun ohne Bindung an ein Emigrantenschicksal.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur
2006
Carl
S. Ehrlich PhD
Professor für Hebräische Bibel und Judaistik
an
der York University in Toronto
Carl S. Ehrlich wurde 1956 in New Haven, Connecticut, USA geboren; er studierte an der University of Massachusetts in Amherst sowie in Freiburg i. B. und Jerusalem Jüdische Studien, Biblische Archäologie und Orientalistik, erwarb 1984 den Titel eines Master of Arts im Fach »Near Eastern Languages and Civilizations« an der Harvard University und wurde dort im Jahre 1991 mit einer Arbeit zum Thema From Defeat to Conquest: A History of the Philistines in Decline c. 1000-730 B.C.E. promoviert. Seit 1996 ist er Professor of Humanities an der York University in Toronto.
Carl S. Ehrlich hat zahlreiche Publikationen zu biblischen, religionsphilosophischen und jüdisch-theologischen Themen vorgelegt, die größtenteils in überaus renommierten Organen wie dem Journal of Biblical Literature, der Zeitschrift des deutschen Palästina-Vereins, European Judaism, Trumah, Foi et vie, dem Anchor Bible Dictionary, dem New Interpreters' Dictionary of the Bible oder dem Oxford Companion to the Bible publiziert worden sind. Von seinen Büchern seien hier die Arbeiten The Philistines in Transition: A History from ca. 1000-730 BCE (1996), Bibel und Judentum. Beiträge aus dem christlich-jüdischen Gespräch (2004) [30] und Judentum (2005) genannt sowie die Editionen erwähnt: Saul in Story and Tradition (2006) und From an Antique Land: An Introduction to Ancient Near Eastern Literature (2009).
Dass die wissenschaftliche Arbeit von Carl S. Ehrlich international die ihr gebührende Wertschätzung erfährt, bekunden zahlreiche Preise und Forschungsstipendien ebenso wie Einladungen zu Gastprofessuren, von denen hier nur die deutschen erwähnt seien: von 2000-2001 lehrte er an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg sowie je für ein Semester an der Humboldt Universität in Berlin (1993) und an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (1996).
In der Person von Carl Ehrlich wird die Zäsur in der Folge der Franz-Rosenzweig-Gastprofessoren manifest, denn war die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur ursprünglich eingerichtet worden, um ehemals in die Emigration getriebene Wissenschaftler einzuladen, um ihnen unsere Verbundenheit mit ihrer Verfolgungsgeschichte zu dokumentieren und ihnen zugleich Gelegenheit zu geben, ihre Forschung vor Studierenden und Kollegen in Deutschland vorzutragen, so es nunmehr möglich, auch Persönlichkeiten an die Universität Kassel einzuladen, die durch die Verfolgung der Nationalsozialisten nicht mehr direkt betroffen sind, aber gleichwohl mit ihren Forschungen in der Tradition der deutsch-jüdischen Geschichte stehen.
Gerade an der Person von Carl. S. Ehrlich zeigt sich, dass dieser Einschnitt nicht als radikaler Bruch zu verstehen ist, sondern als ein Übergang, in dem sich Kontinuität und Neubeginn verbinden. Denn für die Kasseler Tradition der Franz-Rosenzweig-Gastprofessuren verkörpert er in mindestens doppelter Hinsicht beides: Einmal in biographischer Hinsicht, weil er als Sohn des Franz-Rosenzweig-Gastprofessors des Jahres 1988, Leonard Ehrlich, doch noch in die Reihe jener gehört, deren Lebensweg ohne die historische Katastrophe des Nationalsozialismus zweifellos ganz anders verlaufen wäre, er aber zugleich auch der erste Franz-Rosenzweig-Gastprofessor ist, der die Verfolgung nicht mehr am eigenen Leibe erleben musste. Kontinuität und Neubeginn verkörpert er aber auch in wissenschaftlicher Hinsicht, weil sich sein wissenschaftliches Werk als Biblischer Archäologe und Judaist einerseits aus dem Geiste jener hermeneutisch-kritischen Auseinandersetzung mit der jüdischen Tradition speist, die im 19. Jahrhundert in Deutschland unter dem Namen ‚Wissenschaft des Judentums’ entstand, andererseits aber auch den Standards, Themen und Problemen der modernen angelsächsischen Jewish Studies verpflichtet ist.
An der Universität Kassel hielt Prof. Carl S. Ehrlich im Rahmen des Lehrprogramms des Faches Theologie, jedoch offen für Hörer aller Studienrichtungen eine Vorlesung „Zur Archäologie des Heiligen Landes“, begleitet wurde diese Vorlesung durch das Seminar „Probleme in der Geschichte des biblischen Israel“. Weiterhin bot Prof. Carl S. Ehrlich ein allgemein kulturgeschichtliches Seminar „Moses durch die Jahrhunderte“ an, das sich mit der wechselvollen Geschichte des Moses-Bildes aus verschiedenen Epochen und Religionen auseinandersetzte.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2007
Moshe
I. Zimmermann
Professor für Deutsche Geschichte
an der Hebrew University of Jerusalem
Moshe I. Zimmermann wurde 1943 in Jerusalem geboren, er studierte an der dortigen Hebräischen Universität Politikwissenschaft und Geschichte, 1977 erwarb er den Ph.D. Nach Lehraufträgen an der Hebräischen Universität und der Universität Beer Sheba, wurde er zunächst zum Lecturer für Geschichte, sodann zum Senior Lecturer und schließlich 1986 zum Professor für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem berufen. Herr Zimmermann ist seit 1986 Mitglied des Advisory Board des Leo-Baeck-Instituts in Jerusalem, von 1980 bis 1985 ist er Mitglied der deutsch-israelischen Schulbuchkonferenz gewesen. 1983/84 war er Gastprofessor an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, 1987 am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung in Bielefeld, 1987/88 am Institute for Advanced Study, Princeton, 1995 an der Martin-Luther-Universität Halle, 1996 an der Ludwig Maximilian Universität München, 1997 an der Universität Saarbrücken, 1998/99 an der Universität Göttingen; 1990 hat er den Rudolf-Küstermeier-Preis der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für die Förderung des Verständnisses zwischen Deutschen und Israelis erhalten.
Seine Forschungen decken ein außerordentlich breites Spektrum von Themen der jüdisch-deutschen Geschichte ab. Dies erstreckt sich auf die Epochen zwischen den Anfängen der Emanzipation und der Gegenwart. Daraus sind zahlreiche Bücher und Aufsätze erwachsen, beginnend mit seiner 1979 publizierten Dissertation, die auf der Basis eines reichen, erstmals erschlossenen empirischen Materials unter dem Titel Hamburgischer Patriotismus und deutscher Nationalismus die Emanzipation der Juden in der Hansestadt zwischen 1830 und 1865 einer detaillierten Analyse unterzogen hat. Die Studie behandelt die jüdische Geschichte nicht isoliert, sondern als integralen Aspekt der Gesamtgeschichte. Wollte man die Problemspannung personalisieren, so verdichtet sich die Entwicklung in zwei Personen: in Gabriel Riesser, der die ‚jüdische Frage’ und deren Lösung eingebettet sah in das bürgerlich liberale Streben nach einem national geeinten Verfassungsstaat, sowie in Wilhelm Marr, einem der Väter des modernen Antisemitismus in Deutschland, dem Herr Zimmermann 1982 (hebr., 1986 engl.) eine umfassende Biographie widmete.
1997 folgt dann in der Reihe „Enzyklopädie deutscher Geschichte“ ein überaus informativer, kritisch resümierender und kommentierender Forschungsüberblick über Die deutschen Juden 1914 – 1945. Schon der Titel gibt das Selbstverständnis der Mehrheit der in Deutschland lebenden Juden wieder: die Weimarer Republik galt ihnen als Höhepunkt und Abschluss der Emanzipation, der Antisemitismus erschien als Überrest einer längst überwundenen Epoche, selbst das Jahr 1933 erschütterte diese Überzeugungen zunächst nicht. Auch in diesem Buch plädiert Herr Zimmermann eindringlich dafür, die jüdische Geschichte nicht zu „ghettoisieren“, sondern in steter Wechselwirkung mit dem allgemeinen Geschehen zu begreifen, dabei den Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in den verschiedensten Konstellationen gebührenden Raum zu gewähren.
Mit gewichtigen Beiträgen zu Erinnerung und Erinnerungspolitik ist Prof. Zimmermann seit Jahren im Bereich der Geschichte der Stereotypen hervorgetreten. Neben Arbeiten, die sich der deutsch-israelischen Beziehungsgeschichte widmen, hat Moshe Zimmermann auch solche vorgelegt, die sich mit Problemen der israelischen Gesellschaft beschäftigen. Hervorzuheben ist hier ein sehr instruktiver Aufsatz über Militär, Militarismus und Zivilgesellschaft in Israel (1997), der am Ende einen skeptischen Blick auf die Zukunft des israelischen Modells als das eines nicht-militarisierten Gemeinwesens richtet. Mit Kommentaren zu aktuellen Fragen der israelischen Politik und zum deutsch-israelischen Verhältnis tritt Herr Zimmermann darüber hinaus regelmäßig in der Presse hervor, die er 2004 in einem kleinen Bändchen auch auf Deutsch veröffentlicht hat: Goliaths Falle.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2008
Dr. Karol Sauerland
Professor und Leiter des Lehrstuhls für Germanistik
an der Universität Thorn, Polen
Professor Dr. Karol Sauerland, 1936 als Sohn deutscher Emigranten in Moskau geboren, studierte nach dem Abitur in Halle / Saale von 1955 bis 1957 zunächst Philosophie an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Nachdem er dieses Studium auf Grund seines Engagements für den politischen Umbruch in Polen aus politischen Gründen abbrechen mußte, arbeitete er zunächst eine Zeitlang als Hilfsarbeiter in Ost-Berlin, übersiedelte dann aber nach Polen, wo er bald die polnische Staatsbürgerschaft annahm. Von 1958-63 studierte er in Warschau Mathematik und Germanistik. Mit einer Arbeit zu Wilhelm Diltheys Erlebnisbegriff[31] wurde er im Jahre 1970 promoviert. 1975 habilitierte er sich an der Universität Warschau mit einer Arbeit zu Adornos Ästhetik[32].
Bereits
im Jahr der Habilitation zum Universitätsdozenten ernannt (in
Polen gilt die
Dozentur wie eine erste Professur), leitete Karol Sauerland seit 1977
die
Abteilung für deutsche Literatur am Institut für
Germanistik der Warschauer
Universität. Von 1979 bis 1986 hatte er den Lehrstuhl
für Germanistik an der
Copernikus-Universität in Toruñ (Thorn) inne, den
er –
1980 der Gewerkschaftsbewegung Solidarność beigetreten und
bald
in deren Vorstand an der Universität Toruñ
gewählt – aus politischen Gründen
bald wieder verlor. Erst 1989 wurde er durch den Staatsratsvorsitzenden
Polens
offiziell zum Professor ernannt, obwohl ein entsprechender Antrag auf
Verleihung
der Professur bereits 1982 von der Fakultät gestellt und vom
Senat bestätigt,
von der kommunistischen Partei Polens jedoch blockiert worden war.
Seither
leitete er bis zum Jahre 2005 die Abteilung für
Literaturwissenschaft seiner
Universität.
Obgleich
Karol Sauerland in den Jahre 1983 bis 1987 verschiedensten staatlichen
Schikanen
(Hausdurchsuchungen, Verhöre, achtundzwanzigmalige Ablehnung
von Anträgen auf
Auslandsreisen etc.) ausgesetzt war, entwickelte er mit bis heute
unverminderter
Schöpfungskraft und Originalität ein breites
philosophisches und
literaturwissenschaftliches Œuvre, wie das Verzeichnis seiner
Publikationen
zeigt. Von seinen weit über 200 Veröffentlichungen
seien hier im Blick auf die
Institution der Franz-Rosenzweig-Gastprofessuren nur seine zahlreichen
Artikel
zur Wahrnehmung des Judentums in der Literatur und zur neueren
Geschichte des
Judentums in Polen sowie das Buch Polen
und Juden zwischen 1939 und 1968. Jedwabne und die Folgen[33]
ausdrücklich genannt.
Karol Sauerlands wissenschaftliches Werk hat in Deutschland breite Anerkennung erfahren, die sich u.a. 1993 in der Berufung in den Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und 1995 in der Verleihung des Humboldt-Preises der Alexander-von-Humboldt-Stiftung niederschlug. Zudem wurden ihm zahlreiche Einladungen zur Wahrnehmung von Gastprofessuren zuteil. 1988 lehrte er als Vertreter von Adolf Muschg an der ETH Zürich, im Wintersemester 1988/89 hatte er eine Gastprofessur am Schwerpunkt Polen der Universität Mainz inne. 1994 war er Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin sowie Gastprofessor an der dortigen Freien Universität und 1997 nahm er wiederum eine Gastprofessur an der Universität Mainz wahr. Im Wintersemester 2004/05 lehrte er für zwei Semester am Fritz-Bauer-Institut der Universität Frankfurt am Main und im Wintersemester 2005/06 an der Universität Hamburg.
Mit
Karol Sauerland gewinnt die Universität Kassel einen
international renommierten
Gelehrten, dessen Forschung jenen Geist der Erinnerung an eine
definitiv
verlorene deutsch-jüdische Normalität in besonderem
Maße verkörpert, für
den die Institution der Franz-Rosenzweig-Gastprofessuren symbolisch
steht.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2009
Dr. Harry Redner
Philosoph
an der Monash University in Melbourne, Australien
Harry Redner wurde am 1. Februar 1937 in Tlumacz bei Stanislawow in Galizien (damals Polen, heute Ukraine) geboren. Gemeinsam mit seiner Mutter überlebte er die Besetzung Galiziens durch die Nazis im Untergrund. 1946 emigrierten sie über Zwischenstationen nach Melbourne in Australien, wo er 1954 die High School abschloss. Seine akademische Ausbildung erhielt Harry Redner zwischen 1955 und 1965 vor allem in England und Australien, wo er Musik – insbesondere Komposition bei Felix Werder, Alexander Goehr und Luciano Berio – sowie Philosophie (B.A. und M.A. an der Melbourne University) studierte. Nach einem weiteren postgraduierten Studium an der Oxford University bei Elizabeth Anscombe begann er seine eigene universitäre Berufslaufbahn in den Jahren 1965 bis 1967 am Department of Philosophy der Adelaide University als Research Fellow. Von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1996 war er in unterschiedlichen akademischen Positionen (Lecturer, Senior Lecturer, Reader, zuletzt als Professorial Fellow) am Department of Politics der Monash University in Melbourne tätig. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn in die Vereinigten Staaten (Yale University, Berkeley, Harvard), nach Israel (Haifa), Frankreich (École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris) und Deutschland (Darmstadt). 2009 nahm er die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur an der Universität Kassel wahr. In deutscher Sprache erschien bisher sein Buch Wie kann man moralisch leben: Geschichte und Gegenwart ethischer Kulturen (Stuttgart 2006), weitere Übersetzungen werden vorbereitet.Weitere Informationen in der Pressemitteilung der Universität Kassel
Dr.
Jakob Hessing Schriftsteller
und Germanist
an der Hebräischen Universität in Jerusalem, Israel Jakob
Hessing (auch: Jaakov Hessing) ist der Sohn ostjüdischer Eltern und wurde am 5.
März 1944 in einem Versteck im Außenlager eines deutschen Konzentrationslagers
Lyssowce, Oberschlesien geboren. Nach der Befreiung durch die Rote Armee ging
seine Familie nach Berlin, wo er aufwuchs. Er besuchte die Volksschule und das
Gymnasium, an dem er 1964 das Abitur machte. Im gleichen Jahr wanderte Hessing
nach Israel aus. Dort arbeitete er zwei Jahre lang in einem Kibbuz. Ab 1968
studierte er Geschichte, Anglistik und Germanistik an der Hebräischen Universität
in Jerusalem. Er schloss dieses Studium 1974 mit dem Grad eines Bachelors in
Anglistik ab. Von 1970 bis 1978 gab er im Auftrag des israelischen Außenministeriums
die deutschsprachige Ausgabe der Zeitschrift „Ariel“ heraus. Ab 1991 schrieb
er Rezensionen für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. 1992 promovierte
er an der Technischen Hochschule Aachen mit einer Arbeit zur Rezeption Else
Lasker-Schülers im Nachkriegsdeutschland zum Doktor der Philosophie. Im
gleichen Jahr erhielt er eine Dozentenstelle in Jerusalem, seit 1995 ist er „Associate
Professor“ an der Hebräischen Universität Jerusalem, und ab 2004 leitete er
die dortige Germanistische Abteilung. Jakob
Hessing verfasst neben literaturwissenschaftlichen Facharbeiten Romane und
Essays in deutscher Sprache; von 1993 bis 1999 gab er den „Jüdischen
Almanach“ heraus. Daneben übersetzt er aus dem Hebräischen ins Deutsche. Wichtigste
Publikationen in deutscher Sprache: Else Lasker-Schüler, Karlsruhe 1985; Der Fluch des Propheten, Rheda-Wiedenbrück 1989; Der
Zensor ist tot, Weinheim [u.a.] 1990; Die
Heimkehr einer jüdischen Emigrantin, Tübingen 1993; Mir
soll's geschehen, Berlin 2005; Der
Traum und der Tod, Göttingen 2005; Verlorene
Gleichnisse. Heine, Kafka, Celan, Göttingen/Oakville, Connecticut 2011. Liliane
Weissberg, PhD Christopher
H. Browne Distinguished Professor in Arts and Sciences and Professor of German
and Comparative Literature University
of Pennsylvania, Philadelphia, PA She
is also a member of the Jewish Studies Program, the Art History Graduate Group,
the English Graduate Group, the Program
in Visual Studies, the Program in Gender, Sexuality, and Women's Studies, and
the Graduate Group in Religious Studies.
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2010
Franz-Rosenzweig-Gastprofessur 2012
[*]Teilweise Auszüge aus den Bänden Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), Vergegenwärtigungen des zerstörten jüdischen Erbes und Auseinandersetzungen mit dem zerstörten jüdischen Erbe, Kassel: kassel university press 1997 und 2004.
[1]Franz
Rosenzweig, Hegel und der Staat, 2 Bde.,
München/Berlin
1920,
Nachdruck in einem Band, Aalen 1962.
[2]Franz
Rosenzweig, Der Stern der Erlösung (1921),
Frankfurt a.M.
1988.
[3]Franz Rosenzweig, Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften, Bd. I: Briefe und Tagebücher (2 Teilbände durchpaginiert), Bd. II: Der Stern der Erlösung, Bd. III: Zweistromland. Kleinere Schriften zu Glauben und Denken, Bd. IV: Sprachdenken im Übersetzen (2 Teilbände),Den Haag 1976-1984.
[4]Die
Schrift. Verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz
Rosenzweig,
4 Bde., Heidelberg 1954.
[5]Anlässlich
von Franz Rosenzweigs 100. Geburtstag veranstaltete die
Universität
Kassel vom 7. bis 12. Dezember 1986 unter der Schirmherrschaft des
Bundespräsidenten,
Dr. Richard von Weizsäcker, einen großen Internationalen
Franz-Rosenzweig-Kongreß, zu dem über 70
Referenten und
mehr als 380 Teilnehmer aus aller Welt angereist waren. Die
Kongressbeiträge
wurden in zwei Bänden publiziert: Der Philosoph
Franz
Rosenzweig
(1986-1929), Bd. I: Die Herausforderung
jüdischen Lernens,
Bd. II: Das neue Denken und seine Dimensionen,
hrsg. v.
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Freiburg/München 1988.
[6] Ab 2006 wird die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur mit stärkerer Akzentsetzung auf jüdisches Denken, jedoch ohne Bindung der Eingeladenen an ein Emigrantenschicksal fortgeführt.
[7] Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), Vergegenwärtigungen des zerstörten jüdischen Erbes. Franz Rosenzweig-Gastvorlesungen Kassel 1987-1998, Kassel 1997 und Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), Auseinandersetzungen mit dem zerstörten jüdischen Erbe. Franz Rosenzweig-Gastvorlesungen (1999-2005), Kassel 2004.
[8]Leonard
H. Ehrlich, Fraglichkeit der jüdischen Existenz.
Philosophische
Untersuchungen zum modernen Schicksal der Juden,
Freiburg/München
1993; Joachim Israel, Martin Buber. Dialogfilosof och sionist,
Stockholm
1992 -
überarbeitete deutsche Fassung:
Martin Buber -
Dialogphilosophie in
Theorie und Praxis, Berlin 1995; Eveline Goodman-Thau, Zeitbruch.
Zur messianischen Grunderfahrung in der jüdischen Tradition,
Berlin
1995; William W. Hallo, Origins: The Ancient Near Eastern
Background
of Some Modern Western Institutions, Leiden/New
York/Köln
1996; Zvi Rosen, Max Horkheimer, München
1995; Hans Keilson,
Wohin die Sprache nicht reicht, Giessen 1998; Rafael
N.
Rosenzweig,
Das Streben nach Sicherheit, Marburg 1998; Emil
Fackenheim, Epitaph
on German Judaism, (in Vorbereitung); Rivka Horwitz, Multiple
Faceted
Judaism, Beer Sheva 2002; Gerda Elata-Alster, Talk
of the Town:
Jewish Attitudes to Civic Discourse, (in Vorbereitung);
Albert H.
Friedlander,
Das Ende der Nacht: Jüdische und christliche Denker
nach der
Shoah,
Gütersloh 1995.
[9]Siehe
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), Einsprüche
kritischer
Philosophie.
Kleine Festschrift für Ulrich Sonnemann. Mit einem
Gesamtschriftenverzeichnis
und einem tabellarischen Lebenslauf hrsg. v. Wolfdietrich
Schmied-Kowarzik
(Kasseler Philosophische Schriften 28), Kassel 1992 sowie In
memoriam
Ulrich Sonnemann. Vorträge und Beiträge zur
akademischen
Trauerfeier,
hrsg. v. Heinz Eidam und Wolfdietrich
Schmied-Kowarzik,
Kassel
1994. www.ulrich-sonnemann-gesellschaft.de
[10] Leonard H. Ehrlich, Fraglichkeit der jüdischen Existenz. Philosophische Untersuchungen zum modernen Schicksal der Juden, Freiburg/München 1993.
[11] Joachim Israel, Martin Buber. Dialogfilosof och sionist, Stockholm 1992 - überarbeitete deutsche Fassung: Martin Buber - Dialogphilosophie in Theorie und Praxis, Berlin 1995.
[12] Joachim Israel, Sprache und Erkenntnis. Zur Tiefenstruktur der Alltagssprache, Frankfurt a. M. 1990.
[13] Joachim Israel, Handlung und Interaktion. Eine Einführung aus sozialpsychologischer Perspektive, hg. von Heinrich Dauber und Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Kasseler Philosophische Schriften 36), Kassel 2003.
[14] Eveline Goodman-Thau, Zeitbruch. Zur messianischen Grunderfahrung in der jüdischen Tradition, Berlin 1995.
[15] Eveline Goodman-Thau, Aufstand der Wasser. Jüdische Hermeneutik zwischen Tradition und Moderne, Berlin 2002.
[16]
William W. Hallo, Origins.
The Ancient Near Eastern Background of Some Modern Western Institutions, Leiden/New
York/Köln 1996.
[17] Zvi Rosen, Max Horkheimer, München 1995.
[18] Jacob Goldberg, „Jüdische Stadtbevölkerung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa“, in: Berliner Jahrbuch für Osteuropäische Geschichte 1 (1996).
[19] Davon zeugen auch seine zahlreichen medizinischen, psychotherapeutischen und ethischen Einzelveröffentlichungen in englischer und deutscher Sprache, die oftmals aus gemeinsamen Kolloquien hervorgehend mehrere Mitautoren ausweisen, auf die hier nicht detailliert hingewiesen werden kann.
[20]
Rivka Horwitz, Multiple Faceted Judaism, Beer Sheva
2002.
[21] Hans Keilson, Wohin die Sprache nicht reicht. Essays – Vorträge – Aufsätze 1936-1996. Mit einem Nachwort von Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Giessen 1998; Marianne Leuzinger-Bohleber und Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), „Gedenk und vergiß – im Abschaum der Geschichte“. Trauma und Erinnern. Hans Keilson zu Ehren, Tübingen: edition diskord 2001; Hans Keilson, Werke in zwei Bänden. I: Romane und Erzählungen, II: Gedichte und Essays, Frankfurt a. M.: S. Fischer 2005.
[22] Emil L. Fackenheim, Was ist Judentum? Eine Deutung für die Gegenwart, Berlin 1999.
[23] „Emil L. Fackenheim Memorial“, in: Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Hg.), Franz Rosenzweigs „neues Denken“. Internationaler Kongreß Kassel 2004, 2 Bde., Freiburg/München 2006, Bd. S. 597-641.
[24] Rafael N. Rosenzweig, Das Streben nach Sicherheit, Marburg 1998.
[25] Albert H. Friedlander, Das Ende der Nacht: Jüdische und christliche Denker nach der Shoah, Gütersloh 1995.
[26] Jürgen Nautz, Richard Vahrenkamp (Hg.), Die Wiener Jahrhundertwende. Einflüsse – Umwelt – Wirkungen, Wien 1993, darin: Kurt Rudolf Fischer: „Zur Theorie des Wiener Fin de siècle“, S. 110-127.
[27]
Gerda Elata-Alster, Talk of the Town: Jewish Attitudes to
Civic
Discourse,
(in Vorbereitung);
[28] Mihály Vajda, Die Krise der Kulturkritik, Wien 1996.
[29] Michael Löwy, Erlösung und Utopie. Jüdischer Messianismus und libertäres Denken. Eine Wahrverwandtschaft, Berlin 1997.
[30] Carl. S. Ehrlich, Bibel und Judentum. Beiträge aus dem christlich-jüdischen Gespräch, Pano Verlag 2004.
[31] Karol Sauerland, Diltheys Erlebnisbegriff. Entstehung, Glanzzeit und Verkümmerung eines literaturhistorischen Begriffs, Berlin / New York 1972.
[32] Karol Sauerland, Adornos Ästhetik des Nichtidentischen, Warschau 1975.
[33] Karol Sauerland, Polen und Juden zwischen 1939 und 1968. Jedwabne und die Folgen, Berlin 2004.